EAPN-Generalversammlung 2012 - Abschlusserklärung

Veröffentlicht in EAPN

Sparmaßnahmen funktionieren nicht - Nötig ist ein Pakt für soziale Investitionen

Die Delegierten der 23. EAPN-Generalversammlung (7.-9. Juni in Oslo, Norwegen) schließen sich mit von Armut betroffenen Menschen zusammen, um die EU-Institutionen eine "rote Karte" zu zeigen, da sie in der Hektik, die Märkte zu beschwichtigen, die Menschen im Stich lassen, darunter die verletzlichsten. Die gemeinsam im Europäischen Rat handelnden Mitgliedstaaten verfolgen einen Absatz, der Sparmaßnahmen Priorität einräumt, wodurch "die Armen" den Preis für eine Krise bezahlen, die sie nicht verursacht haben und ein integrativer Aufschwung untergraben wird. Die Delegierten der Generalversammlung forderten die Entscheidungsträger in der EU auf, nicht den Märkten, sondern den Menschen und dem Planeten Priorität einzuräumen und sich auf einen Pakt für soziale Investitionen zu einigen, um das Vertrauen der Menschen wiederherzustellen und um eine positive Vision und einen Fahrplan für die künftige europäische Zusammenarbeit festzulegen.

Final declaration

 Die Delegierten der Generalversammlung...

  • lehnen die brutale Aufgabe der Griechen durch die EU ab, die Maßnahmen ohne Berücksichtigung der unmittelbaren und langfristigen sozialen Folgen durchführt;
  • stellen die Versprechen der Strategie Europa 2020 bezüglich eines integrativen Wachstums und der Armutsreduzierung in Frage, wenn das Armutsziel nicht ernst genommen wird und die "Economic Governance" der EU nationale soziale Infrastrukturen zerstört und mehr Armut und Ungleichheiten erzeugt, insbesondere in Ländern, die der Troika unterstehen;
  • verurteilen die gescheiterte Einbeziehung der Akteure bei wichtigen EU-Prozessen, wie etwa der Strategie Europa 2020 und die Aushöhlung demokratischer Prozesse als Folge zwischenstaatlicher Vereinbarungen, die ohne eine adäquate parlamentarische Überprüfung umgesetzt werden;
  • drücken ihr Unverständnis und ihren Ärger angesichts der Tatsache aus, dass die EU weiterhin eine offensichtliche versagende Strategie der Sparmaßnahmen unterstützt, die die Rezession und das Auseinanderbrechen der EU antreibt, anstatt die dringende Debatte und alternative Ansätze für eine integrative Erholung zu fördern, die auf Solidarität, sozialen Investitionen und dem Streben nach Gesellschaften mit größerer Gleichheit basiert.

Die Delegierten der Generalversammlung fordern die EU und die Mitgliedsstaaten daher auf, einen Pakt für soziale Investitionen zu beschließen, der Folgendes beinhaltet:

  1. Investtitionen in ein progressives Anreizpaket, dass die Menschen unterstützt und die Einkommen anhebt und zwar über Investitionen in die Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze, in zugägliche Dienstleistungen und in hochwertige Sozialschutzsysteme, die auch adäquate Mindesteinkommen umfasen. Benachteiligten Gruppen ist der Zugang über integrierte Ansätze zur aktiven Eingliederung sicherzustellen. Teil dieses Paktes müssen auch Investitionen in Bildung, Gesundheitsdienste, erschwinglichen Wohnraum und erschwingliche Energie sowie die Bekämpfung der zunehmenden Obdachlosigkeit sein.
  2. Bestärkung der Rolle des Staates al Bereitsteller von Gütern von öffentlichem Interesse und Sicherstellung der Eingliederung und des sozialen Zusammenhaltes - und zwar über die Sicherstellung einer universellen, fairen Sozialhilfe und von Dienstleistungen, die für das Wohlergehen der Menschen notwendig sind. Der Übertragung von staatlichem Vermögen auf gewinnorientierte Unternehmen in Bereichen, in denen der Wettbewerb soziale Rechte verletzt, ist Einhalt zu gebieten.
  3. Eine gerechte Erlangung und Verteilung der Mittel - Umkehrung des Trends zu immer mehr "arbeitenden Armen" durch eine Regelung zu angemessenen Löhnen und durch Investitionen in adäquate Mindesteinkommen (in Höhe von mindestens 60 % des verfügbaren medianen Einkommens), während gleichzeitig an einer EU-Richtlinie zu arbeiten ist, die adäquate soziale Mindeststandards in ganz Europa sicherstellt und somit auch einen "Social Floor". Dies ist über Steuergerechtigkeit zu finanzieren - einer progressiven Einkommenssteuer, Vermögenssteuer und Finanztransaktionssteuer ist Vorrang einzuräumen und Steuerhinterziehung und Steuerumgeheung sind zu bekämpfen, indem Steueroasen und Hintertüren mit Hilfe von EU-Vorschriften geschlossen werden.
  4. Rettung des Euro und Stärkung der europäischen Wirtschaftsstabilität - jedoch nicht, indem die Solidarität zwischen den Regionen oder zwischen den Reichen und Armen geopfert wird. Eurobonds, die Streichung unbezahlbarer Schulden, ein flexibles Defizit- und Währungsmanagement sowie eine EU-Finanztransaktionssteuer sind wesentliche Instrumente, doch muss die "Economic Governance" mit sozialen Zielsetzungen umgesetzt werden und soziale Gerechtigkeit als Endziel haben. Eine dringende Priorität ist die Sicherstellung, dass Griechenland in der Eurozone und der Europäischen Union bleibt und dass die EZB allen Ländern, die Hilfe in Anspruch nehmen müssen, eine erschwingliche finanzielle Unterstützung anbietet.
  5. Stärkung der demokratischen Verantwortlichkeit über eine direkte und partizipatorische Demokratie - Durch die Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments und durch Investitionen in einen echten und regelmäßigen zivilen Dialog mit allen Akteuren, einschließlich der NRO und Menschen mit Armutserfahrungen, um alternative Lösungen für die Krise zu erarbeiten, zu überwachen und umzusetzen, insbesondere über die Strategie Europa 2020.
  6. Messung des sozialen Fortschritts und nicht der Wirtschaftsleistung - Es muss über das Bruttoinlandsprodukt hinausgegangen und ein Index der multiplen und nachhaltigen Entwicklung konstruiert werden, der sich auf die Sozialindikatoren der Sozialen OMK stützt und Fortschritte hinsichtlich Gleichheit, Gesundheit, materieller Vorteile und Wohlergehen sowie bei der Kulturellen, sozialen und politischen Teilhabe misst. Verringerung der wachsenden Einkommens- und Wohlstandskluft, indem ein realistisches und ehrgeiziges Ziel zur Erreichung von Gesellschaften mit größerer Gleichheit festgelegt wird.

Der Neustart einer Strategie Europa 2020, die ihre Ziele zu integrativem Wachstum und zur Armutsreduzierung ernst nimmt und nicht als vermeintliche Nebenprodukte anderer Prioritäten ansieht, würde einen übergreifenden Rahmen bieten, um die Umsetzung eines solchen Pakts für soziale Investitionen zu unterstützen und zu überwachen. Diese neu gestartete Strategie müsste von Empfehlungen zur Reduzierung der Armut und Ungleichheiten untermauert sein, die finanziell unterstützt werden, insbesondere durch EU-Mittel: Mindestens 25 % der Kohäsionsmittel müssen dem Euopäischen Sozialfonds (ESF) zugeteilt werden und mindestens 20 % des ESF sind für die soziale Eingliederung und die Bekämpfung der Armut zu transferieren.

Anmerkung:

Die 23. EAPN-Generalversammlung fand vom 7. - 9. Juni 2012 in Oslo, Norwegen, statt. An den Debatten und Aktivitäten nahmen Delegationen aus 29 Ländern und von 9 europäischen Organisationen teil. Auf dieser Generalversammlung hieß das Netzwerk Dynamo International (Sozialarbeiter-Netzwerk) und die International Federation of Social Workers als EAPN-Mitglieder willkommen.