Lücken im sozialen Netz

Geschrieben von Dietmar Hamann. Veröffentlicht in Allgemeines

Vortrag auf der Fachtagung „Die Lücken in der Existenzsicherung in Deutschland. Gesehen, bewertet – und nun?“ des Deutschen Caritasverbandes im Rahmen des Projektes EMIN

BuchhülleEs werden die immer größer werdenden Maschen in unserem sozialen Netz nur noch notdürftig geflickt, verschleiert, unter den Tisch gekehrt oder gar verleugnet und manipuliert. Damit wird die Gefahr noch größer, dass arme Menschen durch niedrige Renten, Hartz IV, Langzeitarbeitslosigkeit, Working Poor, geringe Bildung, Überschuldung, Krankheit, traumatische oder lebensbedrohende Erlebnisse die unverarbeitet geblieben sind, immer mehr in Armut stürzen und zu Almosenempfänger werden.

Wir können auf Dauer diese Lücken , dass diese Menschen immer stärker unter die Armutsgrenze rutschen lässt, nicht einfach unter den Teppich kehren.
In Deutschland liegt die Armutsgefährdungsgrenze für Alleinlebende bei weniger als 980 Euro im Monat, für Familien mit zwei Kindern bei weniger als 2.058 Euro im Monat. Besonders gefährdet sind Arbeitslose, Alleinerziehende und alleinlebende Menschen.
Auch Migranten und Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen sind überdurchschnittlich häufig betroffen. Der Weg zur Armutsvermeidung ist mehr Bildung und Beschäftigung.

Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit, mehr Öfentlichkeit um diese Lücken zu schließen, mehr Chancen, um Langzeitarbeitslose wieder in Arbeitsmarkt zu intergrieren. Mehr Unterstützung für Alleinerziehende. Mehr sozial geförderte Wohnungen. Mehr Bildung und Chancen für unsere Kinder. Mehr menschenwürdige Unterkünfte für Asylbewerber und Obdachlose.

Mehr leidenschaftliche Menschen. Mehr Solidarität - sie ist die Zärtlichkeit der Völker.

Gunter Rudnik, Richter am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg:

Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum folgt unmittelbar aus der Menschenwürde und dem Sozialstaatsgebot. Beide Aspekte unterliegen der Ewigkeitsklausel des Art 79 III GG. Das Grundrecht hat daher auch innerhalb der Verfassung einen herausgehobenen Rang. Es steht unter keinem Finanzierungsvorbehalt. Es gibt keinen anderen staatlichen Auftrag, der gegenüber diesem Grundrecht vorrangig zu erfüllen wäre. Für Studenten und Auszubildende ist das menschenwürdige Existenzminimum nicht gewährleistet. Dies gilt insbesondere für Studenten und Azubis ab Vollendung des 25. Lebensjahres. Hier besteht dringender verfassungsrechtlicher und politischer Handlungsbedarf. Die Ausgestaltung der Einkommensanrechnung der BAB in der jetzigen Handhabung durch die Bundesagentur für Arbeit ist angesichts des gegebenen gesetzlichen Spielraums rechtswidrig. Auch ausländischen Unionsbürgern gegenüber ist das Würdegebot umfassend sicherzustellen. Die umfassenden Leistungsausschlüsse für diesen Personenkreis sind weder im Lichte des Gebotes der Menschenwürde noch europarechtlich haltbar.