Internetcafé Power-Point eröffnet

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Seit dem 1. April 2011 stehen 10 Informatik-Arbeitsstationen im 1. Untergeschoss der Monbijoustrasse 16 in Bern. In diesem Internetcafé Power-Point können fortan soziale Benachteiligte kostenlos arbeiten. Zur Eröffnung erschien Polit-Prominenz - und sie wurde in die Pflicht genommen.

Die Freude über den erfolgreichen Start des Selbsthilfeprojektes Power-Point wurde auch getrübt. „Leider bin ich tatsächlich auch traurig. Heute tritt nämlich die 4. Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes in Kraft. Für schätzungsweise 16'000 Menschen in unserem Land, ungefähr 1'500 im Kanton Bern heisst es die Aussteuerung. Und für die Mehrheit dieser ausgesteuerten Erwerbslosen wird es nur einen Weg geben: Den Weg in die Sozialhilfe. Ich bedaure dies zutiefst“, sagte der Regierungspräsident Philippe Perrenoud. Als Gesundheits- und Fürsorgedirektor des Kantons Bern wies er auf die dringende Notwendigkeit des Projektes Power-Point hin und gratulierte dem Präsidenten der KABBA, Thomas Näf, zur erfolgreichen Verwirklichung des Internet-Cafés. Der Zugang zum Internet ist klar eine Frage des Geldes. Von Personen mit einem Monatseinkommen von Fr. 4'000.- können nur 30 % das Internet nutzen, während von Personen mit einem Monatseinkommen über Fr. 10'000 es sogar 90% sind, die Zugang zum Internet erhalten. Philippe Perrenoud ist von der Ausbildung her Arzt. Er wies daher in seiner Eröffnungsrede auch auf einen wunden Punkt in unserer Gesundheitspolitik hin, der oft vernachlässigt wird. Arbeitslose sind sozial weniger integriert. So stellte Perrenoud fest: „Arbeitslose haben ein dreimal höheres Risiko, frühzeitig zu sterben als Personen mit einer sicheren Arbeitsstelle“. Sozialpolitik ohne Beachtung der Gesundheit ist kaum denkbar.

Stadt Bern zum Beispiel

Thomas Näf, Präsident der Komitees der Arbeitslosen und Armutsbetroffenen (KABBA) in Bern war der Initiant des Projektes Power-Point. Vor fünf Jahren hatte sich die Selbsthilfegruppe KABBA gebildet, seither lief die schwierige und umsichtige Planung des Projektes. Parallel dazu engagierte sich KABBA gegen einen weiteren Sozialabbau. Das Komitee beteiligte sich sehr aktiv am Referendum gegen die letzte Verschlechterung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) und lanciert gegenwärtig wegen mangelndem Datenschutz das Referendum gegen das kantonalbernische Sozialhilfegesetz. Zum politischen Kampf gegen die fortdauernde Ausgrenzung gesellt sich nun die praktische Selbsthilfe mit dem Internet-Café Power-Point.

Zur Feier des Tages sprach auch Gemeinderätin Edith Olibet, Direktorin für Bildung, Soziales und Sport der Gemeinde Bern zur jüngsten Aussteuerungswelle aus der Arbeitslosenkasse. 263 Personen wurden am 1. April 2011 in der Gemeinde Bern schlagartig ausgesteuert. Sie landen nun bei der kommunalen Sozialhilfe. Olibet erinnerte daran, dass im verlorenen Kampf gegen die AVIG-Revision die Stadt Bern auf der gleichen Seite wie das KABBA stand. Die sogenannten Sparmassnahmen im AVIG verlagern die Zahlpflichtigkeit von der Ebene des Bundes auf Gemeindeebene. Olibet nannte dieses Vorgehen einen Etikettenschwindel. Die Armutsbekämpfung sei eine Verantwortung für alle in diesem Land, monierte sie. Schon in der Bundesverfassung heisst es, dass die Stärke eines Volkes sich am Wohle der Schwachen misst.

Vom Regen in die Traufe

Unter diesem Titel referierte die bernische Nationalrätin Kiener-Nellen (SP) über das verschärfte Regime der Arbeitslosenversicherung. Als gewiefte Fürsprecherin liess sie nochmals die Abbauschritte Revue passieren. Sie appellierte an alle Betroffenen, sich so rasch als möglich bei den Ämtern zu melden. Die Fürsorgestellen in den Gemeinden wurden zu reinen Inkasso-Stellen zusammengespart. Kiener-Nellen erinnerte auch an die mangelnde Solidarität. Die unteren Löhne sind für die Arbeitslosenversicherung voll beitragspflichtig, nach oben dünnt sich die Solidarität aus und bei einem Jahreslohn von etwas mehr als Fr. 300'000 hört sie ganz auf. Vom Abbau betroffen werden AusbildungsabgängerInnen, Jugendliche unter 25 Jahren, Menschen über 55 Jahren, aber auch Arbeitlose in gebeutelten Industrieregionen. Auch die Zumutbarkeit der Arbeit wurde erhöht. Personen mit einer höheren Fachschulausbildung können im Falle einer Arbeitslosigkeit gezwungen werden, in einem Call-Center zu arbeiten. Die Liste der Abbaumassnahmen ist lang und soll nicht bis ins Detail beschrieben werden. Das alles war vorauszusehen, und darum wurde auch das Referendum ergriffen.

In der anschliessenden Diskussion meldete sich eine Person, die bereits ausgesteuert ist und Sozialhilfe bezieht. Sie beklagte sich bitter über den mangelnden Datenschutz. Schon heute gelte es, den Sozialbehörden eine Ermittlungsermächtigung zu unterschreiben. Ansonsten gebe es kein Geld zur Unterstützung. Die genannte Person bezieht gegenwärtig ein Taggeld, das einen Betrag von Fr. 4.- fürs Morgenessen, Fr. 4.- fürs Mittagessen und Fr. 3.- fürs Nachtessen vorsieht. Mag sein, dass sich jemand des Falles juristisch annimmt und der Person vor dem Richter ihre Würde, und somit auch den Datenschutz zurückgibt. Denn bekanntlich lebt der Mensch nicht vom Brot allein.

Kommentar:

Freude herrscht

„Der digitale Graben trennt Macht von Ohnmacht, Wissen von Unwissen, Know-How von Unvermögen, Reich von Arm“, schrieb ich zum Anlass der Eröffnung des Internetcafés Planet 13 in Basel (Hälfte / Moitié, Nr.12/9, 10.9.2007). Nun konnte auch in Bern mit der der Eröffnung des Internetcafés Power-Point für Benachteiligte ein ähnliches Projekt gestartet werden. Dieses ist ein Akt der Selbsthilfe des Komitees der Arbeitslosen und Armutsbetroffenen (KABBA).
Entstanden ist in mühseliger Aufbauarbeit eine für BenutzerInnen kostenlose Schnittstelle zum Informatik- und Internetwissen. Die Eröffnung des Internetcafés Power-Point ist aber auch eine kulturelles Ereignis ersten Ranges. Denn es bietet unserer gewinnorientierten Gesellschaft zwei dringend nötige Impulse an.
Zur Feier des Tages sprachen am 1. April 2011 eine Vertreterin des Gemeinderates Bern, der Regierungspräsident des Kantons Bern und eine Vertreterin des Nationalrates der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Dieses Bekenntnis zur politischen Kultur in unserem Lande erfolgt auf den drei verfassungsmässigen Ebenen unseres demokratischen Rechtsstaates. Es stellten sich im Internetcafé Power-Point vom Volk gewählte Personen vor, nicht VertreterInnen der Armutsbürokratie, unter der die Benachteiligten zusehend zu leiden haben. Somit werden die Gewählten in Pflicht genommen und dazu aufgerufen, die Politik gestaltend mit zu verändern. Das heisst in unserem Falle, die Situation der Benachteiligten nachhaltig zu verbessern.
Mit dem Internetcafé Power-Point treten Benachteiligte in die digitale Welt ein. Diese stammt aus den Erkenntnissen von Physik und Mathematik und bildet eine der neuesten Formen des rasanten technologischen Wandels. Der Zutritt zu gesellschaftlich relevanten Positionen, der Ausstieg aus Armut, Ausgrenzung und Benachteiligung wird mit dem Lernen durch die Praxis möglich. Damit äufnen die Benachteiligten ihr kulturelles, das heisst ihr technisches Kapital. Und dieses führt im Sinne des französischen Soziologen Pierre Bourdieu wiederum zu mehr sozialem Kapital. Wir erkennen, dass Armut nicht nur ökonomisch definiert werden kann, wie es die heute vorherrschende Ideologie des Neoliberalismus verlangt.
Freude herrscht darum über die Eröffnung des Internetcafés Power-Point in Bern. Ich wünsche dem Projekt, dass es von guten Mächten umgeben bleibt.

Quelle: Newsletter www.kabba.ch

Armutskonferenz: EU-Wirtschaftspolitik produziert Armut

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Finanzminister missbrauchen europäisches Projekt für Interessen der Reichen - Staatschefs brechen Versprechen der Armutsbekämpfung

Wien (OTS) - Aktuelle Pläne zur Stärkung der EU-Wirtschaftspolitik produzieren Armut und missbrauchen das europäische Projekt für die Interessen der Reichen, so die Analyse der Armutskonferenz mit Blick auf die heute mit einem informellen Treffen der Staatschefs beginnenden Verhandlungen zur EU-Wirtschaftspolitik.

"Wir beobachten die Entwicklungen mit großer Sorge und Empörung" so Michaela Moser von der Armutskonferenz, die als Viezpräsidentin des Europäischen Armutsnetzwerks  EAPN die Realitäten der über 80 Millionen Armutsbetroffenen in ganz Europa im Blick hat und eine Zunahme an Armut prognostiziert. "EU-Politik wird zunehmend im Interesse  der Reichen gemacht, Bedürfnisse und Notwendigkeiten der breiten Bevölkerung werden weitgehend ignoriert. Mehr noch, die Bevölkerung bleibt von den Debatten  weitgehend ausgeschlossen" kritisiert Moser auch die Intransparenz aktueller politischer Prozesse und Entscheidungen.

"Lippenbekenntnisse für ein soziales Europa reichen nicht aus, es gilt jetzt in ganz Europa mit aller Kraft in Soziales, in Bildung, Gesundheit, und gute Arbeitsplätze zu  investieren, damit es den Menschen in Europa - und damit auch der Wirtschaft - gut gehen kann. Die Strategien und Pläne dafür liegen längst auf dem Tisch. Ein soziales Europa ist möglich  und steht nicht im Widerspruch zu wirtschaftlichem Erfolg. Wir erwarten von Bundeskanzler Faymann und Finanzminister Pröll, dass sie sich verstärkt für ein soziales Europa einsetzen und die geplanten negativen Entwicklungen bremsen." Die derzeit geplanten Rechtsakte und Maßnahmen zur Stärkung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit  zielen auf Abbau sozialstaatlicher Leistungen und Infrastruktur und Reduzierung der Rechte von ArbeitnehmerInnen. Sie werden Armut produzieren und stehen damit auch im  Widerspruch zum offiziellen EU-Ziel der Armutsbekämpfung, wie es  im Zuge der Europa-2020-Strategie von allen Staatschefs formuliert wurde.

Rückfragehinweis:
Die Armutskonferenz.
www.armutskonferenz.at
Michaela Moser 0676-544 26 46
Koordinationsbüro 01/ 402 69 44

Europäische Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung

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WORUM GEHT ES?

  • Über 80 Millionen Menschen (1 von 6) in der EU sind von Armut bedroht. Dazu gehören 20 Millionen Kinder und 8 % der erwerbstätigen Bevölkerung.
  • Die am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen wurden am schwersten von der Finanzkrise getroffen.
  • Diese Situation in einer der reichsten Regionen der Erde ist unhaltbar.
  • Die EU schlägt vor, ein Ziel zu erreichen, das dieses Jahr zum ersten Mal konkret festgelegt wurde: Bis 2020 sollen 20 Millionen Menschen aus Armut und sozialer Ausgrenzung befreit werden.

WAS WIRD SICH ÄNDERN?

  • Der Zugang zur Beschäftigung, zu Sozialschutz, zu grundlegenden Dienstleistungen (z. B. medizinische Versorgung, Wohnung) und Bildung wird verbessert.
  • EU-Finanzmittel werden effizienter für soziale Eingliederung und die Bekämpfung der Diskriminierung eingesetzt.
  • Soziale Innovationen erhalten neue Impulse und Reformen der Sozialpolitik werden auf Effizienz getestet und bewertet.
  • Neue Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor werden unterstützt, um das Potenzial der Sozialwirtschaft zu bündeln.
  • Die EU-Länder werden ihre politischen Maßnahmen besser koordinieren.
  • Auf einer jährlichen Zusammenkunft werden alle Interessenvertreter eine Bestandsaufnahme der Fortschritte vornehmen.

WER HÄTTE EINEN NUTZEN DAVON?

  • Menschen, die zurzeit in Armut leben – vor allem die am meisten Gefährdeten: Frauen, Migranten, Roma und ethnische Minderheiten, Menschen mit Behinderungen: Ihre Lebensbedingungen dürften sich verbessern.
  • Alle Europäer würden in Gesellschaften mit mehr sozialem Zusammenhalt leben, in denen die Wirtschaft intelligent, nachhaltig und integrativ wächst.

WARUM WIRD DIE EU TÄTIG?

  • Die Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung ist ein Schlüsselelement der Strategie EU 2020.
  • Zwar ist die Armutslinderung vornehmlich Aufgabe der Regierungen der einzelnen EU-Länder, doch kann die EU eine koordinierende Rolle spielen, da die Herausforderungen für alle Länder ähnlich sind.
  • Die EU kann die Entwicklung und Verbreitung effizienter und innovativer Methoden und Hilfsmittel vorantreiben.
  • Die Plattform wird eine freiwillige Koordinierung politischer Maßnahmen und den Austausch von Kenntnissen fördern. Außerdem wird sie die Schaffung EU-weiter Bestimmungen und die Bereitstellung von Finanzmitteln bewirken.

WANN TRITT DER RECHTSAKT VORAUSSICHTLICH IN KRAFT?

In den kommenden Jahren – ab 2011 – werden verschiedene Maßnahmen durchgeführt.