Ehrgeizige Vorgaben und fehlende Unterstützung

Veröffentlicht in Gesundheit

Ein Mammut-Kongress mit einem Mammut-Programm: 25.000 Teilnehmer haben sich für die Welt-AIDS-Konferenz in Washington angemeldet - darunter zahlreiche Forscher und Ärzte, Politiker und Behördenchefs sowie prominente Aktivisten aus dem Showgeschäft.

Von Silke Hasselmann, MDR-Hörfunkstudio Washington

Die Ausgangslage sieht so aus: Es gab noch nie so viele HIV-Positive wie derzeit. Nach offizieller Zählung tragen weltweit mindestens 34 Millionen Menschen das AIDS-auslösende  HI-Virus in sich, allein 25 Millionen in Afrika.

Ein Grund, und der ist erfreulich: Infizierte leben heutzutage länger als noch vor 20 Jahren. Ein anderer Grund: die hohe Zahl der Neuinfektionen. In stark verseuchten Regionen wie Südafrika geht die Ansteckungsrate zwar zurück, ist aber trotzdem noch hoch. In Westeuropa und in den USA wiederum kehrt sich der Trend seit einigen Jahren um. Es stecken sich wieder mehr Menschen an als noch zehn Jahre zuvor.

Folglich hofft der Direktor des US-Zentrums für Krankheits- und Epidemiekontrolle, dass der AIDS-Kongress das Bewusstsein dafür schärft, dass AIDS eine unheilbare Krankheit bleibt. "Eine Generation von Amerikanern ist aufgewachsen ohne zu begreifen, welch furchtbare Geißel AIDS ist. Eine ganze Generation von schwulen Männern hat ihre Freunde nicht an dieser Epidemie sterben sehen, was natürlich eine gute Sache ist", meint Thomas Friedman. Und ergänzt: "Doch das heißt auch, dass wir ein sehr viel riskanteres Sexualverhalten zwischen Männern beobachten - gerade bei jungen Afro-Amerikanern. Wir müssen wieder deutlicher machen, dass es bei HIV keine Heilung gibt, so toll die Behandlungsmöglichkeiten auch sind."

Impfstoffe und Tabletten, die Ausbruch verzögern sollen

Tatsächlich gibt es längst verschiedene Impfstoffe und Tabletten, die den Ausbruch der tödlichen Immunschwächekrankheit AIDS hinauszögern können. Dazu zählt Truvada, das die US-Arzneimittelbehörde FDA gerade auch als prophylaktisches Medikament zugelassen hat: Täglich in Verbindung mit anderen Mitteln eingenommen, könne es vor einer HIV-Infektion schützen.

Über die Folgen dieser umstrittenen Entscheidung werden sich die Kongressteilnehmer ebenfalls verständigen, vor allem Ärzte. Denn zum einen sind starke Nebenwirkungen vor allem für die Nieren bekannt. Zum anderen fürchten manche Beobachter, dass sich zu viele Menschen mit den Tabletten in einer falschen Sicherheit wähnen - kein kleines Problem bei derzeit mindestens 1,5 Millionen HIV-infizierten US-Amerikanern. Die Tendenz ist steigend.

Weitere Foren befassen sich mit der AIDS-Bekämpfung in Afrika und Asien. Auch hier engagieren sich die USA in beispiellosem Umfang, seit Präsident Bush 2003 das weltweit größte AIDS-Not-Hilfsprogramm mit dem Kürzel PEPFAR aufgelegt hat. Präsident Obama führte es weiter mit einem Jahresbudget von sieben Milliarden Dollar und dem Ziel einer bald AIDS-freien Generation.

Ehrgeizige Vorgaben

Die Vorgaben sind ehrgeizig: Bis 2014 sollen in den Partnerländern sechs Millionen HIV-infizierte Menschen behandelt werden, dazu noch einmal 1,5 Millionen HIV-positive Mütter, damit sie ihre Kinder nicht anstecken. Alles sei auf einem guten Weg, so der Koordinator Eric Goosby. Doch das dritte Ziel sei die größte Herausforderung: 4,7 Mio Männer sollen freiwillig ihre Penisvorhaut beschneiden lassen, um sich besser vor einer Ansteckung zu schützen.

"Doch wir haben erfahren, dass es schwer ist, die politische Unterstützung in den Ländern zu bekommen. Ohne diese ist es sinnlos, Programme aufzulegen, denn sie funktionieren nicht, wenn die Männer und ihre Partner diese Schutzmaßnahme aus kulturellen oder religiösen Gründen ablehnen und von der eigenen Regierung nichts hören, was sie Vertrauen fassen lässt. Hier haben wir uns also zurückgezogen und suchen erst einmal die politische Hilfe, statt das Pferd von hinten aufzuzäumen."

Auch für politische Lobbyarbeit wird ab heute auf der AIDS-Konferenz in Washington Gelegenheit sein. Es haben sich zahlreiche Gesundheitsminister aus aller Welt angesagt, auch aus Deutschland.

Quelle: tagesschau.de vom 22.07.2012