Armut ist größter Risikofaktor für kindliche Entwicklung

Veröffentlicht in Kinder und Jugendliche

Die AWO hat 15 Jahre lang Kinder aus armen Familien begleitet, um herauszufinden, wie sie durch Armut in der Gesellschaft benachteiligt sind. So sind diese Kinder oftmals sozialen Herabwürdigungen ausgesetzt und sie müssen früh familiäre Verantwortung übernehmen.

Dauerarmut droht zumindest jedem zweiten Kind, das unter materiell ungünstigen Bedingungen geboren wird. Die Folge: Nicht nur das schicke Handy, Internet, Bio-Essen oder ein eigenes Zimmer fehlen.

"Erfahrungen sozialer Herabwürdigungen"

Viel schlimmer sind die sozialen Herabwürdigungen, die solche Kinder erleben müssen, erklärt Gerda Holtz, die für die Arbeiterwohlfahrt (AWO) die Studie geleitet hat. "Diese Kinder machen zum Beispiel mehr Erfahrungen von Herabwürdigung und Ausgrenzung. Sie haben ein konfliktreicheres Familienleben, übernehmen Familienpflichten gegenüber Geschwistern oder auch gegenüber den eigenen Eltern. Sie müssen Elternkonflikte mitbewältigen, sie jobben neben der Schule, um eigene Grundbedürfnisse zu erfüllen - und nicht, um unbedingt eine Ferienreise damit zu machen, sondern um Grundbedürfnisse zu erfüllen oder das Familieneinkommen zu sichern", so Holtz.

Fünfzehn Jahre lang hat das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik im Auftrag der Arbeiterwohlfahrt 900 arme Kinder ab dem Vorschulalter durch das Leben begleitet. Die Lösung um aus der Armutsfalle zu kommen: Neben der Unterstützung der Eltern spielen vor allem Kitas und Jugendzentren, eine gute Familienberatung und Bildung die entscheidende Rolle.

Einrichtungen und Familien sind wichtig

Diese Einrichtungen machen arme Kinder, also Kinder deren Eltern nur 50 bis 60 Prozent des Durchschnittseinkommens haben, stark. "Es ist auf der einen Seite die Familie, und es sind die Eltern sowie das soziale Umfeld wie die Gleichaltrigen und die Clique. Das hat uns selbst erstaunt. Auf der anderen ist es aber auch der Zugang zu Hilfen und ganz klar die Frage der Förderung innerhalb der Schule. Das geschieht eher durch einzelne Lehrer als durch das System", führt Holtz aus.

Der Chef der AWO, Wolfgang Stadler, wurde bei der Vorstellung der Ergebnisse auch politisch. Das vor allem von der CSU gewollte Betreuungsgeld bekam auch von ihm die rote Karte. Stadler ist überzeugt, dass das Betreuungsgeld die ungeeignete Form ist, um die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind. "Es geht ja nicht nur darum, dass die Kinder dann nicht in Institutionen sind, sondern es geht auch darum, dass das Geld, was wir brauchen, um die Institutionen auszubauen, fehlt", so Stadler.

Laut Studie gehen Kinder mit Migrationshintergrund übrigens besser mit Armut um als Deutsche. Sie besuchen häufiger Gymnasien oder Gesamtschulen, die Wohnsituation ist besser. Und: Sie rauchen und trinken weniger. Und sind subjektiv zufriedener.

Quelle: tagesschau.de vom 25.9.2012