Eine Beisetzung

Geschrieben von Dieter Puhl. Veröffentlicht in Obdachlos

KathiGuten Tag!
Der Normalfall für viele ist, die Beisetzung ist spärlich und oft steht kein Mensch am Grab.
Trost, wenn es gelegentlich auch anders gestaltet werden kann.
Einige Eindrücke zur gestrigen Beerdigung von Kathi B.

7:30Uhr: Die ersten Kollegen_innen fingen an Brötchen zu schmieren. Verdammt leckere, denn es war ein besonderer Tag. Um 13:00 Uhr fand in Tempelhof die Beisetzung von Kathi statt.
Kathi B., ja jeder kannte sie hier am Bahnhof Zoo.
„Mit 5 Jahren saß ich mit meinem Vater in der Küche, er trank ein Bier. Als ich meinen Finger hineinsteckte und lecker sagte, bot er mir ein Glas an. Mit 6 Jahren verbrachte ich dann regelmäßig meine Abende mit ihm biertrinkend in der Küche.“
Was für ein Start in ein junges Leben, wen wundert es, wenn diese Biographie holprig weiter geht und kein Happy End findet?!
Mit 13 Jahren lebte sie dann auf der Straße; immerhin begann sie später ein Medizinstudium, welches sie aber abbrach. Die Jahre als Busfahrerin im Fernverkehr quer durch Europa waren gute Jahre. Der Alkohol gewann Überhand, wir kannten sie als unseren wohnungslosen Gast.
Als einen sehr netten Menschen, freundlich, hilfsbereit, gelegentlich, ich sage das in Liebe, war sie aber auch nervend und auch schwierig.
Kathi, viel hatte sie nicht, aber Würde und Charme, konnte Menschen vereinnahmen, binden, konnte Herzen öffnen.

Schön, deshalb kamen viele: Weggefährten, Praktikanten, Ehrenamtliche und hauptamtliche Kollegen der Bahnhofsmission, Kollegen aus andern Projekten, der Notübernachtung der Berliner Stadtmission, unsere Kältebusfahrerin, Journalisten kamen privat, einfach viele gute Freunde. Wir hatten einen Sonderbus der BVG gechartert, um 12:00 Uhr ging es los, natürlich war die Stimmung belegt. Das Wetter war freundlich, als ob die Sonne auch etwas für Kathi strahlte.
Das war bewegend an der Grabstelle, manche beteten, andere verabschiedeten sich mit einer Flasche Bier, einem Kartenspiel, dem Herthaschal von Kathi.
BeisetzungWow, 70 Trauergäste nahmen auf dem Friedhof Abschied. Stadtmissionsdirektor Hans-Georg Filker fand die passenden Worte, bei "With a little help from my friends" wippten einige Gäste verhalten mit. Hätte Kathi vermutlich gefallen; vielleicht ja auch Trude Herr mit "Niemals geht man so ganz", dann als Abschiedssong in der Bahnhofsmission. Viel Raum für respektvolles Gedenken, viele ruhige Gespräche über sie.
„Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält“ stammt aus dem Vorwort zu „Mein Name sei Gantenbein“. Hatte ich als 15 Jähriger gelesen, hätte ich mir sicher nicht gemerkt, wenn das nicht auch etwas für mich an Wirklichkeit im Leben hat.
Kathi – und das wissen wir – hat sich ihre Geschichte erfunden, die Wirklichkeit ist etwas blasser, vom Wesen her aber noch einsamer und trauriger.
Was wir vermuten, wir unterbreiteten ihr viele Hilfsangebote, wohl mehr als anderen, sie wollte hier nicht weg vom Zoo. Weil das ihr Platz war und der richtige Platz ist wichtig im Leben, manchmal wichtiger als eine Wohnung – und weil sie hier die Queen war.
Davon gab es nur eine!

Und nun hängt auch für Kathi an unseren Abschiedsbaum vor der Tür ein kleines Bändchen, neben Jannek und Klaus.
Die waren schon im Leben eine gute Gang.
Mach es gut - Kathi!