London - Reise - August 2014

Geschrieben von Schneider, Hamann. Veröffentlicht in Reiseberichte

Holy Trinity CurchSeit dem 1. August 2014 ist unser Gründungsmitglied Jürgen Schneider anlässlich einer Informationsreise unterwegs in London. Eine Vielzahl von Begegnungen mit sozial engagierten Menschen machen nicht nur unser Netzwerk bekannt. Erfahrungen austauschen und die Sichtweise anderer kennen zu lernen, neue Partner im Kampf gegen Ausgrenzung und Armut zu finden und nebenbei auch die sprachliche Weiterbildung, sind das Ziel dieser Reise.
Jürgen Schneider berichtet nun über einen Besuch des Holy Trinity Church Center im Stadtteil Penge im Bezirk Bromley. "Ich muss sagen, es hat sich gelohnt dorthin zu fahren. Alleine die Gastfreundschaft und die Herzlichkeit mit der ich empfangen wurde, war enorm," schreibt er. Und wer ihn kennt, weiß, wie beeindruckend das gewesen sein muss.

Die Kirche der anglikanischen Gemeinde wurde nach einem Brand vor einigen Jahren neu gestaltet. Es gibt seither einen Mehrzweckraum für verschiedene Treffen und andere gemeinschaftliche Veranstaltungen.

In der Gemeinde wird freitags ein gemeinsames Mittagessen für „Bedürftige“ gestaltet. Ehrenamtliche bieten ein Beratungsangebot an.
"Am Tage meines Besuchs gab es gebackene Zucchini, Kartoffeln, Hackbraten und Brot. Kaffee, Tee und Wasser wurden auch angeboten," so Jürgen.

Dienstag, Freitag und Sonnabend hat eine food bank (Nahrungsmittelausgabe) geöffnet. Für jeden gibt es hier nach einem kurzen Gespräch mit den ehrenamtlichen Helfern ohne große Formalitäten gespendete Lebensmittel entsprechend des Bedarfs. Das Angebot richtet sich natürlich nach den zuvor eingesammelten Spenden. Eine Bevorratung für Folgetage gibt es nicht. Ein Unterschied zu den in Deutschland bekannten Tafeln.

Der Umgang mit den bedürftigen Menschen sei bemerkenswert freundlich.Kräutergarten

Zur Zeit meines Besuches waren ungefähr 60 Gäste und 15 Ehrenamtliche vor Ort. Von der Atmosphäre kann man nur begeistert sein. Keiner schaut einen schief an wenn man dorthin kommt. Es ist auch relativ einfach mit den Menschen dort in Kontakt zu treten.
Die Gemeinde hat sogar hinter der Kirche einen kleinen Garten wo Gemüse, Kräuter usw. angebaut werden und dann an die Leute verteilt werden.
Ich hatte auch noch das Glück, dass ich eine ehrenamtliche Helferin kennenlernen durfte, die aus Deutschland kam. Außerdem hoffe ich dass ich dort mit meinem English verstanden worden bin.
Wenn sich die Reise gelohnt hat, dann auf jeden Fall zu dieser netten Gemeinde, die anders als manchmal in Deutschland, noch so etwas wie Verantwortung gegenüber den Menschen in Verbindung mit dem Glauben haben. Es kam reine Ehrlichkeit rüber. Auch wenn natürlich nicht jedem dort geholfen werden kann, weil die Probleme eines jeden einzelnen zu verstrickt sind.
Es ist natürlich auch klar geworden, dass den Menschen nur aus den anliegenden Stadtbezirken geholfen werden kann, auch wenn man andere Menschen nicht wegschicken möchte. Die Not ist auch in England sehr groß, so dass es eine Überforderung wäre, wenn alle an eine Stelle hinkommen.

Mein größter Respekt und herzlichen Dank ist den Menschen von Living Well sicher. Die Gespräche, die ich führen konnte waren sehr schön und ich hoffe, dass die Kontakte erhalten bleiben. Ich habe auch mit Menschen über die Partizipation reden können. Auch da ist klar geworden in den Gesprächen, dass Teilhabe nur von „Unten“ kommen kann und die Professionellen und Ehrenamtlichen noch immer nicht gelernt haben, was wirkliche Teilhabe ist. Da gibt es national und international noch viel zu tun.

Jürgen Schneider

Kurzbericht der dritten Jahrestagung der europäischen Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung

Geschrieben von Franke, Werner. Veröffentlicht in Reiseberichte

Die europäische Kommission hatte ihre Veranstaltung zur 3. Jährlichen Tagung gegen Armut und sozialer Ausgrenzung  Ende November 2013 in Brüssel in „The Egg“ angesetzt und eingeladen. Die deutsche Delegation war mit Vertretern des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Arbeiterwohlfahrt, dem Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, der Nationalen Armutskonferenz,  des European Anti-Poverty Network Deutschland und des Armutsnetzwerk e.V. vertreten.

Auf der Gästeliste der Redner standen hochkarätige EU Repräsentanten wie der Belgier Hermann van Rumpuy, Ratspräsident und der EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso.

In ihren Beiträgen bekundeten van Rompuy sowie Barroso, dass das Ziel der Strategie 2020, die Armutsbetroffenheit von 80 Mio. auf 60 Mio. Menschen zu senken, unter den derzeit herrschenden Verhältnissen  nicht erreicht werden kann. Im Gegenteil, die Armut hätte zugenommen, um etwa 5 Mio.EU-Bürger,  hergerufen durch die Bankenkrise. Beide Redner versprachen, sich für die Ärmsten der Armen einzusetzen, um mit den von der EU eingesetzten Mittel, die Armut wirksam zu bekämpfen. Die Kommission hat ein Sozialinvestitionsprogramm in Milliardenhöhe auf den Weg gebracht.20 % dieser Summe sollen für die Bekämpfung der Armut in Europa eingesetzt werden. Schwerpunkte wurden in den Workshops erörtert, wie Verringerung der Kinderarmut, verbesserten Zugang der Roma zum Arbeitsmarkt, integrierte Strategien zur Unterbringung wohnungsloser Menschen, Bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung und die Entwicklung politischer Lösungen für benachteiligte Jugendliche.

Positive Ansätze, die Armut wirksam zu bekämpfen ließen sich in den thematisch ausgerichteten Workshops nicht feststellen. Fazit dieser Tagung: Der Handlungsspielraum der Kommission ist trotz Einsatz erheblicher Mittel begrenzt. Die politischen Verhältnisse in den Mitgliederstaaten lassen es  nicht zu, die Strategie 2020 erfolgreich umzusetzen.

Common oder nicht?

Veröffentlicht in Reiseberichte

Am 23. und 24. Oktober fand in Salzburg die 9. ÖSTERREICHISCHE ARMUTSKONFERENZ satt.

Die Workshops konnten thematisch kaum besser gewählt werden, alle fanden einen nie gesehenen Zuspruch.


Vorkonferenz


Workshop 9.Österreichische Armutskonferenz

"Ich habe es noch nicht erlebt, das wärend der Workshops alle Flure des Tagungshotels wie ausgestorben da lagen. In früheren Jahren wurden die Arbeitsgruppen sehr oft verlassen und so war immer viel Betrieb auf den Fluren",so Eugen Bierling-Wagner, geschäftsführender Koordinator.

Die teilnehmenden Betroffenen waren mit der Vorkonferenz vom 22. und den Workshops sehr zufrieden. Bauchschmerzen bei ihnen verursachte ein mit Fremdworten überladenes Programm. In dem doch sehr wissenschaftslastigen Programm hieß es unteranderem "zentrale Prinzipien sind: Using, Cooperating, Sharing, Contributing ...", was leider bei vielen auf Unverständnis stieß. Die Formulierungen verfehlten leider das Thema der Konferenz, da eine echte Kooperation nur über eine gemeinsame Sprache möglich ist. Ein großer Teil der Betroffenen hätte sich hier einen einfachere Wortwahl gewünscht.

Zum Schluß fand mit der Beteiligung von Ulrich Brand, Universität Wien, Brigitte Kratzwald, Commons-Aktivistin, Alban Knecht, Sozialwissenschaftler, München sowie Michaela Moser, Ilse Arlt Institut, FH St.Pölten, allesamt Theoretiker mit gehobener Bildung und leider oft auch akademischer Wortwahl unter der Leitung von Verena Fabris, Volkshilfe Österreich, eine Podiumsdiskusion statt. Vorkonferenz wie auch die Workshops zum Thema Commons haben bei den Betroffenen den Wunsch nach echter Teilhabe noch vergrößert, so war der Unmut über die Exklusion vom Podium doch sehr groß. Das am letzten Tag vorgestellte Videoprojekt von REWALK lies leider auch nur eine Minderheit von Betroffenen zu Wort kommen.

"Mindestens ein Vertreter von Betroffenen hätte sich auf dem Podium finden müssen und bei dem Videoprojekt hätten 50% besser mehr den Betroffen vorbehalten sein sollen! Es ist sicher nur zu begrüßen wenn sich die Wissenschaft dem Thema Armut annimmt, jedoch sollten die waren Experte unbedingt eingebunden werden." ,so Vera Hinterdorf vom Verein BAKU, Wien.

Der Umstand das sich bei Podiumsveranstaltungen keine Vertreter der Betroffenen finden ist ein Problem und das findet sich in gleicher Weise leider auch in Deutschland. In den letzten Monaten fanden in der BRD viele kirchliche wie auch weltliche Veranstaltungen zum Thema Armut statt. Bei keiner der von mir besuchten Veranstaltungen fand sich ein Betroffener auf dem Podium, da stellt sich auch einem neutralen Beobachter die Frage. "Wie ernst ist es den Veranstaltern mit der Inkusion (Einbindung) von Betroffenen?".

Von der europäischen Armutskonferenz in Brüssel

Geschrieben von r.Wener Franke. Veröffentlicht in Reiseberichte

Nicht die Not ist das Schlimmste,
sondern dass sie ertragen wird!
Denn das Hinnehmen von Armut,
während es Reichtum gibt,
ist geistiges Versagen,
Ist Unempfindlichkeit der Seele.
Gegen die Beleidigung
  Erich Mühsam

Unter der europäischen Ratspräsidentschaft Dänemarks innerhalb der Europäischen Union fand die 11. Europäische Konferenz der Menschen mit Armutserfahrung in Brüssel im Palais Egmont statt. Betroffene Menschen aus mehr als 20 europäischen Ländern waren angereist. Thematisch stand das Recht auf Wohnen (“Homellessnes and Housing Rights in the Context of the crisis“) auf dem Focus.

Nach der Eröffnung durch den dänischen Staatssekretärs Jasper Brask Fischer (u.a. Moderator im Plenum) sowie Karen Haekkerup (dänischer Minister für Soziales und Integration), Laszlo Andor, (EU-Kommissar für Soziales und Eingliederung) Maggie de Block aus Belgien Staatssekretärin für soziale Integration und Kampf gegen Armut, und letztendlich Dominique Pion, Delegierte der X. Konferenz von 2011 nahm das Treffen seinen Lauf.

Rote Karte für die EU-Politik


Deutsche Teilnehmer mit dem
dänischen Staatssekretär für Soziales (2.von rechts)


Austausch am Rande der Konferenz (von links nach rechts)
Dietmar Hamann (Armutsnetzwerk), Freek Spinnewijn (Direktor FEANTSA),
Brigitte Hartung (Armutsnetzwerk)

Fotos:r.Werner Franke (Armutsnetzwerk)

Alle der Redner ließen die 10. Konferenz Revue passieren und betonten in ihren Reden dass die Armut nicht wesentlich reduziert werden konnte. Auslöser ist die seit 2008 bestehende Eurokrise. Für die Länder in der EU steht an erster Stelle zu sparen. So werden Leistungen im sozialen Bereich abgebaut. Das Ziel der EAPN (Europeen Anti Powerty Network) die Armut bis in das Jahr 2020 von 80 Mio. auf 60 Mio. zu senken müsse wohl korregiert werden. Nach einer kurzen Pause zeigten die Delegationen ihr Präsentationen in mehr als drei Blöcken innerhalb der Konferenztage. Sehr kreativ und künstlerisch ausgerichtete Beiträge wurden gezeigt. Tenor aller Präsentationen beinhalteten die Ziele der EAPN als Forderung.

Stellvertretend für die künstlerisch wertvollen als auch zum Nachdenken anregend stelle ich die deutsche Präsentation in den Mittelpunkt: In Hamburg am Rande eines Neubaugebietes haben sich Menschen einen Treffpunkt eingerichtet um miteinander zu reden, zu trinken und gemeinsam Spaß zu haben. Dem Hamburger Senat war dieser Platz ein Dorn im Auge. Sie ließen das Gelände mit einem Stahlzaun eingrenzen um es für die Gruppe zu sperren. Doch der Senat hatte die Rechnung ohne die Anwohner gemacht. Sie solidarisierten sich mit den jungen Leuten. Der Zaun musste entfernt werden. Anwohner schenkten den Leuten Möbelstücke, Gebrauchsgegenstände und allerlei Nützlich sodass das Gelände, der Treff der ausgegrenzten Menschen wohnlich wurde.

In sechs Workshops standen Fragen wie
1.)„Unterschiede und Entwicklung des Recht auf Wohnen“
2.)“Gute und schlechte Praktiken“
3.)“Wie lässt sich die Wohnungslosigkeit in die Politik einbeziehen?“

Der Vergleich zwischen 2008 und 2012 hat nicht zur verbesserten Situation der armen Menschen in der EU beigetragen sondern auf Grund der EU-Krise verschlechtert. So brachten die Teilnehmer eigene Erfahrungen ein. In den meisten europäischen Ländern unterliegen die Menschen der nahezu traditionellen Feststellung „Hast du keine Wohnung bekommst du keine Arbeit. Doch wenn du keine Arbeit hast ist es schwer eine Wohnung zu erhalten. (Für Deutschland: siehe „Der Hauptmann von Köpenick“ nach Zuckmayer)

Ein Beispiel des menschenunwürdistgen Daseins der Homeless People: In Italien werden obdachlose Menschen aufgegriffen. Sie gehen in das Gefängnis. Der Wohnungsbau geht zurück, insbesondere der soziale Wohnungsbau. Stattdessen werden in Italien mehr Gefängnisse gebaut.

Einhellige nachhaltige Forderung aller Delegierten lautet: Das Recht auf Wohnen in das Grundgesetz nicht nur einbringen sondern festzuschreiben. So gibt es in der EU nur drei Staaten in der das Recht auf Wohnen Gesetz ist. Deutschland gehört nicht dazu. In Deutschland wurde das Ministerium für Wohnungsbau abgeschafft. Die VII Nationale Armutskonferenz verabschiedete im März 2012 auf ihrer Fachtagung in Düsseldorf eine Resolution in der gefordert wird:

die Umsetzung des Menschenrechts auf Wohnen durch einen eigenen und neuen Artikel im Grundgesetz.
einen integrierten nationalen Aktionsplan gegen Wohnungsnot und Armut.
Landespläne und Förderprogramme gegen Wohnungsnot in allen Bundesländern.
die Vermeidung/Verhinderung von Wohnungsnotfällen durch Regelungen auf der kommunalen Ebene. Die hierfür benötigten Präventions-maßnahmen müssen verbindlich und verpflichtend geregelt werden.
den sozialen Wohnungsbau wieder im erforderlichen Umfang sicherzustellen.
bezahlbaren Wohnraum, bezahlbare Mietnebenkosten, damit eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich bleibt.

Diese Resolution lag in Brüssel aus und war allen Teilnehmern zugängig.

Während der Konferenz am 2.Tag, fand eine Aktion statt, um vor dem europäischen European Council auf die die Armut in Europa aufmerksam zu machen. Diese Aktion stand unter dem Motto „Zeigt den Politikern die rote Karte“. Jeder der Demonstranten trug eine rote Karte bei sich und hielt sie in die Höhe. Trillerpfeifen und Transparente unterstützte diese Demo, ein Megaphon akustisch. Es wurde sehr viel öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt. Da diese Demo nicht angemeldet war bestanden Befürchtungen dass die Polizei einschreitet. Jedoch hielten sich die Brüsseler Ordnungshüter zurück. Zukünftig sollen mehr dieser Aktionen durchgeführt werden, vielfältig und bunt. Sehr viel Kreatives Potential ist vorhanden. Diese Aktion war keine Veranstaltung von EAPN. Letiza aus Italien & Izabella aus Ungarn (Info: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Phone: +3630 590 2029)) Initiatorinnen (zwei Delegierte) koordinierten die Demo.

Jean-Francoise Molas, ein Vertreter von BAPSA aus Paris berichtete aus seinem Arbeitsfeld. In Paris wurde basierend auf Abbe Pierre, dem Gründer von Emmaus, eine Brigade der Polizei in das Leben gerufen. Diese Brigade nimmt sich der Obdachlosen und Migranten an. Sozialarbeiter helfen den Betroffenen Im Alltag auch bei Ämtergängen. Auch einen Einrichtung (Notunterkunft) stellt BAPSA bereit.

Im Rahmen des europäischen Treffens der Menschen mit Armutserfahrung von EAPN fand ein von EUH (European Union of Homeless)  und HOPE organistertes Side-Event in Brüssel statt. In EUH haben sich engagierte Menschen aus Deutschland, Belgien Frankreich, Niederlande und Ungarn zusammengeschlossen um nachhaltig auf die Armut in der EU hinzuweisen und die Armut zu bekämpfen. Ein Wissenschaftler der Universität Leiden setzte sich analytisch mit der Gentrifizierung auseinander. (Verdrängung der in Armut lebenden Menschen aus den Zentren der Großstädte, Aufwändige Sanierungen werden zum Teil durch Miethaie vorgenommen, sodass die Mieten für diese Menschen nicht mehr bezahlbar sind. Menschen werden nicht nur aus den Zentren vertrieben, Auch an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Es findet eine Ghettoisierung statt.

European Union of Homeless

Berlin im Mai 2012

r. Werner Franke

Veranstaltung: 20 Jahre Nationale Armutskonferenz – (k)ein Grund zu feiern?

Veröffentlicht in Reiseberichte

München/Berlin: „Wir werden nicht aufhören, auf die verschämte Armut neben dem unverschämten Reichtum in diesem Land hinzuweisen“ erklärte Thomas Beyer, Sprecher der Nationalen Armutskonferenz (nak), in seiner Begrüßungsrede anlässlich „20 Jahre Nationale Armutskonferenz – (k)ein Grund zu feiern?“. Der Zusammenschluss aus Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaft und Betroffeneninitiativen hat heute in der Berliner Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz ihr 20-jähriges Bestehen begangen. Für Beyer sind diese beiden Jahrzehnte kein Grund zu feiern, denn: „Wie könnte es sein? Armut ist nur eines: ein Skandal. Schließlich nimmt sie Menschen Chancen, die andere selbstverständlich haben.“ Deshalb werde die nak auch in Zukunft „die gesellschaftliche Mahnung und politische Zumutung“ pflegen.

Dr. Hans-Ulrich Bieler, ständiger Vertreter der Bevollmächtigten des Landes Rheinland-Pfalz, erklärte: „Ohne die nak würde die Armut in der Öffentlichkeit weniger thematisiert.“ Das Engagement der nak ist aus seiner Sicht durchaus ein Grund zu feiern. Ärgerlich sei dagegen, dass es in Deutschland vermeidbare Armut gibt. Das habe auch damit zu tun, dass die Bundesregierung den Regelbedarf niedrig hält. Generell seien Erwerbslose und Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren, kinderreiche Familien, sowie Menschen mit geringer beruflicher Qualifikation besonders armutsgefährdet. Als Maßnahme dagegen forderte Bieler „einen Mindestlohn, der tatsächlich einer ist“. In seinen Augen ist die Bekämpfung von Armut nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine der Freiheit.

Walter Hanesch, Professor für Gesellschaftswissenschaften und soziale Arbeit an der Hochschule Darmstadt und Gründungsmitglied der nak, beklagte in seinem Referat, in dem er unter anderem die Lissabon-Strategie beleuchtete, dass die deutsche Sozialpolitik keine Armutspolitik beinhalte. Zwar habe sich die Regierung zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Deutschland um 330.000 Menschen zu reduzieren. Damit bekämpfe man lediglich die Beschäftigungsarmut, nicht aber die materielle Armut. Schließlich nähme die Zahl der working poor in diesem Land stetig zu. Zur nak sagte er: „Das Besondere und Wichtige an der nak ist, dass die deutschen Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und die Betroffenen-Initiativen dort gleichberechtigt an einem Tisch sitzen.“ Für die Zukunft gab Hanesch der nak auf den Weg: „Sie muss ein kritisches Sprachrohr der Armen bleiben.“ Ein

Ausschnitt aus Hans Falladas „Kleiner Mann, was nun?“ - erschienen 1928 während der Weltwirtschaftskrise und dargeboten vom Theaterpädagogischen Zentrum Köln – veranschaulichte, wie aktuell der Text des Autors bis heute ist: Bedürftige Menschen werden durch Armut sozial ausgegrenzt und sowohl physisch als auch psychisch zermürbt.

Michaela Hofmann, stellvertretende Sprecherin der nak, beklagte, dass in Form von sozialen Kürzungen der schwarze Peter bei den Betroffenen ankommt“. Gemeinsam mit Erika Biehn, nak-Gründungsmitglied warf sie Schlaglichter auf die vergangenen 20 Jahre Weltgeschichte: vom Golfkrieg im Jahr 1991 über die Massenarbeitslosigkeit im Jahr 1997 und dem Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin im Jahr 1999 bis zum Unwort des Jahres Humankapital im Jahr 2005 sowie dem Sparpaket der Bundesregierung im Jahr 2010 und dem Bildungspaket in diesem Jahr. Biehn wiederum sagte: „Die Armut muss bekämpft werden, nicht die Armen!“   

Professor Dr. Gerhard Trabert, stellvertretender nak-Sprecher, erinnerte daran: „Armut nimmt zu und das schon seit 20 Jahren – und es wird nichts dagegen unternommen. Ich glaube, die Konzeptlosigkeit hat Konzept.“ Armut habe nicht nur die Konsequenz, dass jemand weniger Materielles besitzt, sondern auch, dass Betroffene früher sterben. „Arme in Deutschland haben die Lebenserwartung von Nordafrikanern“, sagte er. Arme Frauen in Deutschland stürben acht Jahre, arme Männer sogar zwölf Jahre früher als der Durchschnitt. In Deutschland sei Armut ein Verteilungsproblem, das sich – politischer Wille vorausgesetzt – schnell beheben lasse.

Kurt Klose, stellvertretender nak-Sprecher, stellte fest: „Mit der Veranstaltung ist Solidarität mit den Betroffenen bewiesen worden.“ Die nak unterstütze Menschen, die finanziell schwach sind und nicht sozial schwach, wie Arme häufig beschrieben würden. Klose: „Ich kenne einige Menschen, die finanziell gut bestückt sind – dafür aber sozial sehr schwach sind.“ Als Schuldnerberater berate er inzwischen Menschen, die vor 30 Jahren seine Anlaufstelle nicht aufgesucht hätten: beispielsweise Selbständige.   

Statements in Form von Audiospots (siehe schriftlichen Wortlaut im Anhang): Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, Präsidentin der Humboldt-Viadrina School of Governance Gesine Schwan,der Vorsitzende des Deutschen Vereins Wilhelm Schmidt und des ehemaligen nak-Sprechers Dr. Wolfgang Gern.

Schriftlich überlieferte Statements: Familienministerin Kristina Schröder wünscht der nak „ihren wachen Blick zu behalten“. Kurt Beck,Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz,sieht in der nak  ein wichtiges Instrument Strategien gegen Armut zu entwickeln. Für Michael Sommer sind 20 Jahre nak „gemeinsamer Widerstand gegen Armut in Deutschland“. Leider sei die Armut mittlerweile auch in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen.


Statements