Von der europäischen Armutskonferenz in Brüssel

Veröffentlicht in Reiseberichte

Nicht die Not ist das Schlimmste,
sondern dass sie ertragen wird!
Denn das Hinnehmen von Armut,
während es Reichtum gibt,
ist geistiges Versagen,
Ist Unempfindlichkeit der Seele.
Gegen die Beleidigung
  Erich Mühsam

Unter der europäischen Ratspräsidentschaft Dänemarks innerhalb der Europäischen Union fand die 11. Europäische Konferenz der Menschen mit Armutserfahrung in Brüssel im Palais Egmont statt. Betroffene Menschen aus mehr als 20 europäischen Ländern waren angereist. Thematisch stand das Recht auf Wohnen (“Homellessnes and Housing Rights in the Context of the crisis“) auf dem Focus.

Nach der Eröffnung durch den dänischen Staatssekretärs Jasper Brask Fischer (u.a. Moderator im Plenum) sowie Karen Haekkerup (dänischer Minister für Soziales und Integration), Laszlo Andor, (EU-Kommissar für Soziales und Eingliederung) Maggie de Block aus Belgien Staatssekretärin für soziale Integration und Kampf gegen Armut, und letztendlich Dominique Pion, Delegierte der X. Konferenz von 2011 nahm das Treffen seinen Lauf.

Rote Karte für die EU-Politik


Deutsche Teilnehmer mit dem
dänischen Staatssekretär für Soziales (2.von rechts)


Austausch am Rande der Konferenz (von links nach rechts)
Dietmar Hamann (Armutsnetzwerk), Freek Spinnewijn (Direktor FEANTSA),
Brigitte Hartung (Armutsnetzwerk)

Fotos:r.Werner Franke (Armutsnetzwerk)

Alle der Redner ließen die 10. Konferenz Revue passieren und betonten in ihren Reden dass die Armut nicht wesentlich reduziert werden konnte. Auslöser ist die seit 2008 bestehende Eurokrise. Für die Länder in der EU steht an erster Stelle zu sparen. So werden Leistungen im sozialen Bereich abgebaut. Das Ziel der EAPN (Europeen Anti Powerty Network) die Armut bis in das Jahr 2020 von 80 Mio. auf 60 Mio. zu senken müsse wohl korregiert werden. Nach einer kurzen Pause zeigten die Delegationen ihr Präsentationen in mehr als drei Blöcken innerhalb der Konferenztage. Sehr kreativ und künstlerisch ausgerichtete Beiträge wurden gezeigt. Tenor aller Präsentationen beinhalteten die Ziele der EAPN als Forderung.

Stellvertretend für die künstlerisch wertvollen als auch zum Nachdenken anregend stelle ich die deutsche Präsentation in den Mittelpunkt: In Hamburg am Rande eines Neubaugebietes haben sich Menschen einen Treffpunkt eingerichtet um miteinander zu reden, zu trinken und gemeinsam Spaß zu haben. Dem Hamburger Senat war dieser Platz ein Dorn im Auge. Sie ließen das Gelände mit einem Stahlzaun eingrenzen um es für die Gruppe zu sperren. Doch der Senat hatte die Rechnung ohne die Anwohner gemacht. Sie solidarisierten sich mit den jungen Leuten. Der Zaun musste entfernt werden. Anwohner schenkten den Leuten Möbelstücke, Gebrauchsgegenstände und allerlei Nützlich sodass das Gelände, der Treff der ausgegrenzten Menschen wohnlich wurde.

In sechs Workshops standen Fragen wie
1.)„Unterschiede und Entwicklung des Recht auf Wohnen“
2.)“Gute und schlechte Praktiken“
3.)“Wie lässt sich die Wohnungslosigkeit in die Politik einbeziehen?“

Der Vergleich zwischen 2008 und 2012 hat nicht zur verbesserten Situation der armen Menschen in der EU beigetragen sondern auf Grund der EU-Krise verschlechtert. So brachten die Teilnehmer eigene Erfahrungen ein. In den meisten europäischen Ländern unterliegen die Menschen der nahezu traditionellen Feststellung „Hast du keine Wohnung bekommst du keine Arbeit. Doch wenn du keine Arbeit hast ist es schwer eine Wohnung zu erhalten. (Für Deutschland: siehe „Der Hauptmann von Köpenick“ nach Zuckmayer)

Ein Beispiel des menschenunwürdistgen Daseins der Homeless People: In Italien werden obdachlose Menschen aufgegriffen. Sie gehen in das Gefängnis. Der Wohnungsbau geht zurück, insbesondere der soziale Wohnungsbau. Stattdessen werden in Italien mehr Gefängnisse gebaut.

Einhellige nachhaltige Forderung aller Delegierten lautet: Das Recht auf Wohnen in das Grundgesetz nicht nur einbringen sondern festzuschreiben. So gibt es in der EU nur drei Staaten in der das Recht auf Wohnen Gesetz ist. Deutschland gehört nicht dazu. In Deutschland wurde das Ministerium für Wohnungsbau abgeschafft. Die VII Nationale Armutskonferenz verabschiedete im März 2012 auf ihrer Fachtagung in Düsseldorf eine Resolution in der gefordert wird:

die Umsetzung des Menschenrechts auf Wohnen durch einen eigenen und neuen Artikel im Grundgesetz.
einen integrierten nationalen Aktionsplan gegen Wohnungsnot und Armut.
Landespläne und Förderprogramme gegen Wohnungsnot in allen Bundesländern.
die Vermeidung/Verhinderung von Wohnungsnotfällen durch Regelungen auf der kommunalen Ebene. Die hierfür benötigten Präventions-maßnahmen müssen verbindlich und verpflichtend geregelt werden.
den sozialen Wohnungsbau wieder im erforderlichen Umfang sicherzustellen.
bezahlbaren Wohnraum, bezahlbare Mietnebenkosten, damit eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich bleibt.

Diese Resolution lag in Brüssel aus und war allen Teilnehmern zugängig.

Während der Konferenz am 2.Tag, fand eine Aktion statt, um vor dem europäischen European Council auf die die Armut in Europa aufmerksam zu machen. Diese Aktion stand unter dem Motto „Zeigt den Politikern die rote Karte“. Jeder der Demonstranten trug eine rote Karte bei sich und hielt sie in die Höhe. Trillerpfeifen und Transparente unterstützte diese Demo, ein Megaphon akustisch. Es wurde sehr viel öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt. Da diese Demo nicht angemeldet war bestanden Befürchtungen dass die Polizei einschreitet. Jedoch hielten sich die Brüsseler Ordnungshüter zurück. Zukünftig sollen mehr dieser Aktionen durchgeführt werden, vielfältig und bunt. Sehr viel Kreatives Potential ist vorhanden. Diese Aktion war keine Veranstaltung von EAPN. Letiza aus Italien & Izabella aus Ungarn (Info: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Phone: +3630 590 2029)) Initiatorinnen (zwei Delegierte) koordinierten die Demo.

Jean-Francoise Molas, ein Vertreter von BAPSA aus Paris berichtete aus seinem Arbeitsfeld. In Paris wurde basierend auf Abbe Pierre, dem Gründer von Emmaus, eine Brigade der Polizei in das Leben gerufen. Diese Brigade nimmt sich der Obdachlosen und Migranten an. Sozialarbeiter helfen den Betroffenen Im Alltag auch bei Ämtergängen. Auch einen Einrichtung (Notunterkunft) stellt BAPSA bereit.

Im Rahmen des europäischen Treffens der Menschen mit Armutserfahrung von EAPN fand ein von EUH (European Union of Homeless)  und HOPE organistertes Side-Event in Brüssel statt. In EUH haben sich engagierte Menschen aus Deutschland, Belgien Frankreich, Niederlande und Ungarn zusammengeschlossen um nachhaltig auf die Armut in der EU hinzuweisen und die Armut zu bekämpfen. Ein Wissenschaftler der Universität Leiden setzte sich analytisch mit der Gentrifizierung auseinander. (Verdrängung der in Armut lebenden Menschen aus den Zentren der Großstädte, Aufwändige Sanierungen werden zum Teil durch Miethaie vorgenommen, sodass die Mieten für diese Menschen nicht mehr bezahlbar sind. Menschen werden nicht nur aus den Zentren vertrieben, Auch an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Es findet eine Ghettoisierung statt.

European Union of Homeless

Berlin im Mai 2012

r. Werner Franke