Liste der sozialen Unwörter

Veröffentlicht in Pressemitteilungen

„Sozial Schwache“: nak-Mitglieder sammelten irreführende und abwertende Begriffe – nak-Sprecher Thomas Beyer fordert auf, die Verbreitung von Klischees über arme Menschen zu vermeiden

Wenn es so etwas wie ein Unwort unter den Unwörtern innerhalb des sozialpolitischen Diskurses gibt, dann ist dies „sozial Schwache“. Die Nationale Armutskonferenz (nak) hat unter ihren Mitgliedsorganisationen eine Umfrage durchgeführt, welche Begriffe in den Medien, in der Politik und in der breiten Öffentlichkeit benutzt werden, mit denen Menschen in ihrer Lebenssituation falsch beschrieben, schlimmstenfalls sogar diskriminiert werden. Als ein solches negatives Beispiel wurde uns am häufigsten „sozial Schwache“ genannt.

Mit diesem Begriff werden gemeinhin Menschen bezeichnet, die über (zu) wenig materielle Mittel verfügen und die deshalb weitgehend von der gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe ausgeschlossen sind. Das hat aber gar nichts damit zu tun, ob ein Mensch sozial veranlagt ist oder nicht. Arme Menschen verfügen genauso wie alle anderen über die Fähigkeit mit anderen Beziehungen einzugehen, sich um diese zu kümmern und sich in diese einzufühlen – kurzum sozial zu sein.

„Sprache ist nicht neutral, Sprache bewertet. Vor diesem Hintergrund sollten wir alle Sprache so nutzen, dass sie keine Klischees (re)produziert“, sagt Thomas Beyer, Sprecher der nak. Dies gelte insbesondere im Umgang mit Menschen, die von Armut betroffen oder bedroht sind.

Welche sozialen Unwörter uns nicht zuletzt Mitglieder unserer Betroffeneninitiativen eingereicht haben, lesen Sie weiter unten. Bei den meisten haben die Einsender erklärt, was sie an ihnen stört. Bei einigen ist es indes überflüssig, zu erläutern, warum sie irreführend, diskriminierend oder schlichtweg semantischer Unsinn sind.

  1. Alleinerziehend (=Sagt nichts über mangelnde soziale Einbettung oder gar Erziehungsqualität aus. Beides wird jedoch häufig mit „alleinerziehend“ assoziiert)
  2. Arbeitslos/Langzeitarbeitslos (=Es sollte erwerbslos heißen, weil es viele Arbeitsformen gibt, die kein Einkommen sichern 
  3. Arbeitslose sind eine engagementferne Gruppe (=Damit wird nahegelegt, dass Erwerbslose sich nicht ehrenamtlich engagieren. Dagegen spricht schon die Vielzahl an Selbsthilfegruppen etc., in denen Erwerbslose aktiv sind)
  4. Behindertentransport (=Objekte werden transportiert, Menschen aber werden befördert)
  5. Bildungsferne Schichten (= Gemeint ist – und das sollte man auch sagen – „Fern vom Bildungswesen“ oder „vom Bildungswesen nicht Erreichte“)
  6. BuT’ler („butler“) (=Gemeint sind Nutzer des Bildungs- und Teilhabepakets der Bundesregierung. Der Ausdruck ist ähnlich reduzierend und deshalb diskriminierend wie „Der/Die ist Hartz IV“. Abschätzig ist er auch, wenn er englisch ausgesprochen wird: Butler=Diener)
  7. „Der/Die ist Hartz IV“ (=Wer Grundsicherung – im Volksmund Hartz IV – erhält, wird darauf reduziert. Außerdem wird häufig mit dem Begriff assoziiert, Empfänger von Sozialleistungen seien arbeitsscheu und generell unfähig)
  8. Ehrenamtspauschale (=Richtig müsste es Ehrenamtseinkommensteuerpauschale heißen, denn besagte Pauschale kann nur entgegennehmen, wer eine Steuererklärung abgibt. Gerade arme Menschen können dies aber nicht, weshalb sie auch diese Entschädigung nicht erhalten)
  9. Eingliederungsverfahren (=Menschen außerhalb von pathologischen oder resozialisierenden Prozessen müssen sich nicht erst eingliedern)
  10. Flüchtlingsfrauen (=Überflüssig, weil das Wort Flüchtlinge beide Geschlechter umfasst. Ansonsten: ähnlich diskriminierend wie Arztgattin)
  11. Herdprämie (=diskriminierend, weil der Begriff unabhängig von der Positionierung gegenüber dem gemeinten Betreuungsgeld Frauen verunglimpft)
  12. Illegale (=Diesem Begriff ist tatsächlich nur die Losung entgegenzuhalten: „Kein Mensch ist illegal“)
  13. Massenverwaltbarkeit (=Wurde vom BMAS genutzt, wenn Individualisierungswünsche bei der Anwendung von SGB II abgewehrt werden sollten)
  14. Missbrauch (=Ist im Zusammenhang mit Sozialrecht und Sozialstaat - beispielsweise Missbrauch von Hartz IV – eine ungute Vokabel, weil damit ein schwerwiegender sexueller Straftatbestand assoziiert wird)
  15. Notleidender Kredit (=Wenn der Darlehensnehmer die Raten nicht mehr zahlen kann und das Darlehen infolgedessen gekündigt wird, gilt der Kredit als notleidend. Letzteres dürfte allerdings eher auf den Menschen in Zahlungsschwierigkeiten zutreffen)
  16. Person mit Migrationshintergrund (=Häufig wird damit „einkommensschwach“, „schlecht ausgebildet“ und „kriminell“ in Zusammenhang gebracht. Während mit diesem Begriff Klischees reproduziert werden, wird er der sehr unterschiedlichen Herkunft der so Bezeichneten nicht gerecht)
  17. Person mit Migrationshintergrund ohne eigene Migrationserfahrung =(Siehe 16)
  18. Sozial Schwache (=Wer kein/wenig Geld hat, ist ökonomisch schwach, aber nicht sozial schwach)
  19. Sozialschmarotzer
  20. Trittbrettfahrer (=Wird auch für Menschen benutzt, die ein schwerwiegendes Delikt wiederholen oder davon profitieren)
  21. Vollkasko-Mentalität
  22. Wirtschaftsasylanten
  23. Wirtschaftsflüchtlinge