Marburger Leuchtfeuer für Hilde Rektorschek und die Kulturloge
Mit einem erschütternden Bericht über Armut in Marburg endete am Freitag (10. Mai) die Verleihung des Marburger Leuchtfeuers für Soziale Bürgerrechte. Preisträgerin Hilde Rektorschek hatte den langjährigen Marburger Theaterintendanten Ekkehard Dennewitz gebeten, ihren Text über beschämende Erfahrungen bei der Marburger Tafel zu verlesen.
In seiner Begrüßungsrede beteuerte Oberbürgermeister Egon Vaupel, dass er keinen Einfluss auf die Wahl der Preisträgerin gehabt habe. Dennoch entspreche sie voll und ganz seinen Vorstellungen. Seit vielen Jahren kenne er die Preisträgerin vor allem aus der Stadtteilarbeit am Richtsberg.
Die Laudatio auf Rektorschek hielt der frühere Marburger Theaterintendant Dennewitz. Er meinte, das Marburger Leuchtfeuer sei geradezu geschaffen für Rektorschek. Sie brenne für ihre Aufgabe und werde so auch zum Leuchtfeuer für andere.
Als Grund dafür hatte der Theatermann ein "Elisabeth-Gen" ausgemacht. Ebenso wie Elisabeth von Thüringen könne auch Rektorschek nicht davon ablassen, ihrer sozialen Überzeugung Ausdruck zu verleihen
"Behutsam, würdevoll und nachhaltig" seien die Maßstäbe der Kulturloge Marburg bei ihrem Einsatz für das Menschenrecht auf Kultur. Rektorschek hatte den Verein gegründet. Inzwischen hat er mehr als 1.300 Menschen einen diskriminierungsfreien Zugang zu Kultur verschafft.
Das Marburger Modell hat bundesweit Kreise gezogen. So ist Rektorschek inzwischen Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Kulturloge mit Regionalgliederungen in mehr als 20 deutschen Städten. Über 6.100 Kulturgäste kommen dadurch in den Genuss von Theaterbesuchen oder Konzerten, Kinovorführungen oder anderen kulturellen Veranstaltungen.
Ein besonderes Augenmerk widmet die Kulturloge Marburg dabei Familien mit Kindern. Ihnen ermöglicht sie beispielsweise Besuche im Frankfurter Zoo oder andere Ausflüge. Dabei bezahlt sie Fahrkarten und alle weiteren üblichen Aufwendungen einschließlich eines Verzehrbons für Eis oder Getränke.
Für die Jury war insbesondere der Respekt vor den "Kulturgästen" wichtig. Jury-Sprecher Jürgen Neitzel betonte, dass die hohen Preise vieler Kulturveranstaltungen heute selbst für viele Menschen oberhalb der Armutsgrenze durchaus schon problematisch werden könnten.
Zudem wies er auch auf das Engagement der Preisträgerin als Vertreterin der Beschäftigten in den Gremien der Philipps-Universität sowie auf ein Projekt hin, dass sie mit behinderten Kindern durchgeführt hatte. Mit dem Leuchtfeuer würdigt die Jury Rektorscheks Einsatz für Soziale Bürgerrechte in gleich mehreren Bereichen.
Ihre eigene Dankesrede hielt die Preisträgerin kurz. Vor allem dankte sie den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen der Kulturloge sowie den Veranstaltern, die die Kulturloge mittlerweile fast selbstverständlich mit Freikarten versorgen.
Der abschließend von Dennewitz vorgetragene Text Rektorscheks über ihre Erfahrungen bei der Arbeit für die Marburger Tafel ging dann richtig unter die Haut. Darin schilderte die Preisträgerin, wie sie auf Anfrage einer Journalistin des Hessischen Rundfunks (HR) einmal ein Interview mit einer alleinerziehenden Frau und ihren beiden Töchtern vermittelt hatte.
Als die Journalistin abschließend fragte, was die Kinder sich zum bevorstehenden Weihnachtsfest wünschten, erklärten beide gleichzeitig, sie würden gerne einmal ins Schwimmbad gehen. Das sei aber völlig unmöglich, da sie keine Badeanzüge besäßen.
Text: Humanistische Union, http://www.hu-marburg.de/homepage/leuchtf/index.ph...
8. Treffen der Menschen mit Armutserfahrung
SGB II und soziale Gerechtigkeit – wie passt das zusammen?
Seit 2005 gehören die Paragrafen des SGB II für arbeitssuchende oder im Niedriglohnbereich tätige Menschen (2012 über 4,4 Millionen Leistungsempfänger) zum täglichen Leben. Dieses Gesetz soll, so gibt es §1(1) SGB II wieder, „Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht“.
Die Praxis und die Erfahrungen der Leistungsberechtigen zeigen jedoch, dass zwischen Worten und Wirklichkeit eine große Diskrepanz besteht.
Die Umgangsweise mit Leistungsberechtigten bei der Antragstellung, der Eingliederungsvereinbarung, der Androhung und Durchsetzung von Sanktionen sowie die Berechnung der Regelsätze zum Lebensunterhalt erfüllen diesen §1(1) SGB II nicht.
„SGB II und soziale Gerechtigkeit – passt das zusammen?“ lautet deshalb der Titel des nunmehr 8. Treffens der Menschen mit Armutserfahrung. An zwei Tagen werden wir mit Ihnen die unterschiedlichen Themen und Problematiken, die die Praxis aufzeigt, diskutieren und Lösungen entwickeln und der gestellten Frage in unterschiedlicher Form nachgehen.
Sie sind herzlich eingeladen, Ihre Erfahrungen und Kompetenzen einzubringen. Wir freuen uns auf zahlreiche Anmeldungen und einen regen Austausch.
Joachim Speicher – Sprecher der Nationalen Armutskonferenz
Michaela Hofmann – Koordinationsteam der Treffen von Menschen mit Armutserfahrung
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Marburger Leuchtfeuer für Hilde Rektorschek - Vorbildlicher Einsatz für das Menschenrecht auf Kultur
Hilde Rektorschek erhält Marburger Leuchtfeuer 2013. Oberbürgermeister Egon Vaupel und Jury-Sprecher Jürgen Neitzel werden ihr die undotierte Auszeichnung am Freitag (10. Mai) überreichen. Die Laudatio wird der langjährige Marburger Theaterintendant Ekkehard Dennewitz halten.
Mit dem "Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte" würdigen die Universitätsstadt Marburg und die Humanistische Union (HU) herausragenden Einsatz für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben. Der Preis wird seit 2005 jährlich vergeben.
Foto: Lothar Hofmann
Mit dem Leuchtfeuer 2013 würdigt die Jury Rektorscheks Einsatz für sozial benachteiligte Menschen in gleich mehreren Bereichen. Insbesondere hat sie sich in herausragender Weise für das Menschenrecht auf Kultur eingesetzt.</p> <p> Rektorschek wurde 1947 in Marburg geboren. Schon während ihrer beruflichen Tätigkeit an der Philipps-Universität setzte sie sich in herausragenden Positionen - beispielsweise als Vorsitzende des Konvents und stellvertretende Senatspräsidentin - für die Rechte der Beschäftigten und eine hochwertige Bildung für alle ein.</p> <p> Nach mehrjährigem Engagement bei der Marburger Tafel gründete sie 2010 die Kulturloge Marburg, deren Vorsitzende sie seither ist. Auch den Vorsitz einer bundesweiten Vereinigung von Kulturlogen hat sie seit deren Gründung inne.</p> <p> Als Leuchtfeuer-Preisträgerin tritt Rektorschek in die "Fußstapfen" so bedeutender Persönlichkeiten wie Ulrike Holler, Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ, Käte Dinnebier, Prof. Dr. Dr. Dr. Rolf Schwendter, Sabriye Tenberken, Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter, Katja Urbatsch und Dr. Bernhard Conrads. Die Preisverleihung erfolgt im Rahmen einer Feierstunde am Freitag (10. Mai) um 11 Uhr im Historischen Saal des Marburger Rathauses.
Im Winter 2012 / 2013 bisher mindestens fünf wohnungslose Menschen erfroren, sechs weitere Verdachtsfälle
Bielefeld, 27.03.2013. Nach Kenntnis der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W), dem bundesweiten Dachverband der Wohnungslosenhilfe in Deutschland, sind im Winter 2012 / 2013 bisher mindestens fünf wohnungslose Menschen erfroren. Darüber hinaus gibt es sechs weitere Tote, deren Todesumstände sich teilweise nicht vollständig aufklären lassen, dennoch erachten wir die Veröffentlichung dieser Fälle für geboten, um die notwendige Prävention anzumahnen
Die Kältetoten im Winter 2012 / 2013:
1. Rostock, 01.11.2012: ein 54-jähriger wohnungsloser Mann, nachts in einem öffentlichen Park
2. Rüsselsheim, 09.12.2012: ein 38-jähriger wohnungsloser Mann, nachts in seinem Schlafsack unweit einer Notunterkunft für Wohnungslose
3. Köln, Januar 2013: ein wohnungsloser Mann, nachts an der Deutzer Brücke
4. Köln, 24.03.2013: ein 56-jähriger wohnungsloser Mann, nachts am Hauptbahnhof; seine 53-jährige Begleiterin wird stark unterkühlt ins Krankenhaus eingeliefert
5. Alfeld (Nds), ca. 24. – 26.03.2013: ein 66-jähriger wohnungsloser Mann, in einem Waldstück, in Decken gehüllt
„Völlig gescheiterte Reform“: Die Nationale Armutskonferenz kritisiert die Agenda 2010 und fordert ein Programm zur Armutsbekämpfung
Als völlig gescheiterte Reform bezeichnet die Nationale Armutskonferenz (NAK) die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze, die heute vor zehn Jahren vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder vorgestellt wurden. Armut sei kein Randproblem mehr, sondern mitten in der Gesellschaft angekommen, kritisiert die NAK. Als Sofortprogramm zur Armutsbekämpfung fordert sie eine bedarfsgerechte Erhöhung der Regelsätze, einen gesetzlichen Mindestlohn, eine Reform des Bildungs- und Teilhabepaketes sowie den Ausbau der öffentlich geförderten Beschäftigung für Langzeitarbeitslose.
„Wer angesichts der zunehmenden Spaltung unserer Gesellschaft die Agenda 2010 als Erfolg für alle Beschäftigten bezeichnet, lebt in einer Fantasiewelt und verschließt die Augen vor der traurigen Realität“, sagt Joachim Speicher, der neue Sprecher der Nationalen Armutskonferenz. „Zwar hat sich die Zahl der Arbeitslosen moderat entwickelt, aber dafür nimmt die Armutsgefährdungsquote seit 2006 stetig zu und befindet sich mit 15,1 Prozent auf einem Höchststand seit der Wiedervereinigung.“ Die NAK weist darauf hin, dass in Deutschland rund acht Millionen Beschäftigte für einen Niedriglohn arbeiten, davon 1,4 Millionen für weniger als fünf Euro die Stunde. Jede zweite Neueinstellung werde befristet und die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die seit 2005 durchgehend Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beziehen, liege bei über 400.000. Während im Jahr 2002 gerade einmal 2,8 Millionen Menschen auf Sozialhilfeniveau leben mussten, ist die Zahl der Betroffenen bis 2010 auf 7,6 Millionen gestiegen.
„Die Agenda 2010 hat die Armut in Deutschland weiter verschärft. Immer mehr Menschen müssen den Gürtel enger schnallen, um über die Runden zu kommen. Viele Beschäftigte müssen trotz Arbeit ergänzende Leistungen beantragen oder sich mit mehreren Jobs über Wasser halten“, so Speicher weiter. Die Politik dürfe dieser Entwicklung nicht weiter tatenlos zusehen, sondern müsse endlich gegensteuern und dafür sorgen, dass die viel versprochene Chancengerechtigkeit Wirklichkeit wird.
Die Nationale Armutskonferenz fordert einen gesetzlichen Mindestlohn, einen Regelsatz, der sich am tatsächlichen Bedarf orientiert und damit ein Leben in Würde und Teilhabe ermöglicht, eine Reform des Bildungs- und Teilhabepaketes und einen öffentlich geförderten Beschäftigungsmarkt für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose.
Ungarische Regierung tritt die Menschenrechte von wohnungslosen Bürgern mit Füßen – BAG Wohnungslosenhilfe fordert Bundesregierung zur Verklagung Ungarns vor dem Europäischen Menschengerichtshof auf
Die ungarische Regierung tritt die Menschenrechte von wohnungslosen Bürgern mit Füßen. Am Montag hat das ungarische Parlament wie erwartet mit seiner rechts-populistischen Mehrheit elementare Verfassungsrechte wohnungsloser Bürger außer Kraft gesetzt. Von nun an können Wohnungslose, die zweimal innerhalb von sechs Monaten im Freien nächtigen, mit je 500,- € Geldstrafe belegt werden. Wer das nicht zahlen kann, landet im Gefängnis.
Diese zynische Regelung hat nun die Deckung durch eine Generalklausel in der ungarische Verfassung (Artikel 8, Absatz 3 „Ein Gesetz oder ein örtliches Dekret können die Nutzung bestimmter öffentlicher Plätze zum Übernachten untersagen, um die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit, die öffentli-che Gesundheit und die kulturellen Werte zu schützen.“). Dies ist ein einmaliger Rückschritt in der sozialpolitischen Nachkriegsgeschichte Europas, in der Zug um Zug alle so genannten Landstreicherparagraphen aufgehoben wurden – in Deutschland mit der Strafrechtsreform von 1974 (§ 361 StGB). Wer kann ernsthaft glauben, dass die Obdachlosen in Ungarn, die in noch tieferer Armut leben als unsere deutschen Obdachlosen, sich vom Gefängnis freikaufen können? Diese menschenverachtende, teure und zum Scheitern verurteilte Politik gegen Wohnungslose bedarf einer klaren und unmissverständlichen Antwort aller Demokraten in der Europäischen Union:
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. fordert
- Bundeskanzlerin Merkel auf, diesen Bruch der Menschenrechte öffentlich beim Namen zu nennen und sich in der EU für ein Verfahren nach Art 7 des Lissabon-Vertrages einzusetzen
- die Bundesregierung auf, gegen Ungarn vor den Europäischen Menschengerichtshof Klage zu erheben.
- von der EU- Kommission, sofort rechtliche Schritte gegen Ungarn wegen Vertragsbruch nach Art 7 des Lissabon-Vertrages einzuleiten.
Thomas Specht, Geschäftsführer der BAG W: „Ungarn befindet sich auf dem Weg aus der Gemeinschaft der demokratischen Staaten. Obdachlose sind gezwungen den öffentlichen Raum zu benutzen. Sie dafür zu bestrafen ist ein Akt der Unmenschlichkeit und verstößt gegen die Menschenrechte!“
FEANTSA, der europäische Dachverband Nationaler Organisationen der Wohnungslosenhilfe, deren Gründungsmitglied die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) ist, hatten in einem offenen Brief (anliegend) das Vorgehen der ungarischen Regierung als Verstoß gegen die vielen internationalen Menschenrechtsverträge verurteilt, die Ungarn unterzeichnet hat: darunter die Europäische Sozialcharta, die Europäische Menschenrechtskonvention, die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen, der Internationale Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
Bei Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung: Dr. Thomas Specht, Geschäftsführer BAG W, (0521) 14396-15
oder Werena Rosenke, stellv. Geschäftsführerin BAG W, Leitung Presse/ÖA, (0521) 14396-11, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Den offenen Brief der Verbände haben wir in deutscher und englischer Sprache angehängt.
Deutsche Fassung (PDF 259kb)
Englische Fassung (PDF 373kb)
Weitere Beiträge...
- Nationale Armutskonferenz (nak) fordert ein Ende der Schönfärberei und die Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission
- Liste der sozialen Unwörter
- Die bundesweit erste Kulturloge Marburg feiert Geburtstag.
- 04.02.2013 „Die Armutsbekämpfung ist ein Stiefkind der öffentlichen Förderung in Deutschland – die Bundesregierung verweigert Armen eine Stimme“