„Landesarmutskonferenz Berlin in Nationale Armutskonferenz (nak) aufgenommen“

Geschrieben von nak. Veröffentlicht in Pressemitteilungen

Die Landesarmutskonferenz (LAK) Berlin ist als beratendes Mitglied in die Nationale Armutskonferenz (nak) aufgenommen worden. Das haben die Delegierten auf ihrer jüngsten Konferenz beschlossen. 35 Wohlfahrtsverbände, freie Vereine, Gewerkschaften und Selbsthilfeorganisationen haben sich am 16. Dezember 2009 zur LAK Berlin zusammengeschlossen. Anlass war das damals bevorstehende Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (2010). Aus der Geschäftsordnung: „Die Landesarmutskonferenz dient der Vernetzung sozial verantwortlicher Kräfte in Berlin.“

Innerhalb der LAK gibt es sieben Fachgruppen: Armutsbegriff, Armut und soziale Sicherungssysteme, Frauenarmut, Jugendliche und Arbeitsmarkt, Kinderarmut und Familie, Migration und Flüchtlinge, Wohnungslose Menschen. Ingrid Stahmer – neben Hermann Pfahler Sprecherin der LAK Berlin – zur Mitgliedschaft in der nak: „Um eine neue, umfassende Kultur der Armutsbekämpfung zu entwickeln und zu verbreiten, brauchen wir alle Erfahrungen bundesweit und international. Dafür erhoffen wir uns Anregungen aus dem Gaststatus bei der nak. Wir wollen uns nicht vom eigenen Tellerrand begrenzen lassen.“

Die LAK Berlin ist die siebte Landesarmutskonferenz, die sich der nak anschließt. „Wenn von Berlin die Rede ist, fallen meistens Begriffe wie Hauptstadt der Kreativen, Aufbruchstimmung und Ähnliches. Dass es sich aber auch um ein Bundesland handelt, in dem soziale Probleme wie Gentrifizierung des Wohnungsmarkts insbesondere und Anstieg der Armut insgesamt zunehmen, ist weniger bekannt. Die LAK Berlin trägt nicht zuletzt mit ihren Aktionen dazu bei, dass Missverhältnisse aufgezeigt und Lösungen angestoßen werden“, sagt Thomas Beyer, Sprecher der nak. So macht die LAK Berlin immer wieder öffentlichkeitswirksam darauf aufmerksam, dass es in Berlin weder auf Bezirks- noch auf Landesebene eine fundierte ressortübergreifende Sozialplanung gibt.

„Was sollen arme Familien noch alles leisten?“

Geschrieben von nak. Veröffentlicht in Pressemitteilungen

Zum Internationalen Tag der Familien am 15. Mai fordert die stellvertretende nak-Sprecherin Michaela Hofmann kostenlose Kinderbetreuung, Bildung und kulturelle Förderung

Kostenlose Kinderbetreuung und kostenlose Bildung sind eine Bringschuld der Bundesregierung – aber keine Holschuld der Bürger. Das stellt die stellvertretende nak-Sprecherin Michaela Hofmann klar. Anlässlich des Internationalen Tags der Familien fragt sie: „Was sollen arme Eltern außer der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder, ihrem Beruf und der Haushaltsführung noch alles leisten?“ Damit spielt Hofmann auch auf das Bürokratiemonster Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung an, das den Antragstellern viel zu viel Papierkrieg abverlange, wenn sie die Leistung für Klassenfahrten, Nachhilfe oder die Mitgliedschaft in Sport- oder Musikverein in Anspruch nehmen wollen.

„Vor allem für kinderreiche Familien, deren Nachwuchs oft vom Kindergarten bis zur weiterführenden Schule mehrere Einrichtungen besucht, bedeutet das einen unverhältnismäßig großen Aufwand.“ Sie müssten sich an unterschiedliche Bildungseinrichtungen, staatliche Behörden und Bildungsträger wenden. Besonders ärgerlich: Einige von diesen Anlaufstellen weisen die Zuständigkeit von sich und damit ist ein zeitraubender Spießrutenlauf vorprogrammiert, vor dem nicht wenige kapitulieren und lieber auf ihre Rechte verzichten.

In dem von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) geplanten Betreuungsgeld sieht Hofmann wiederum ein anachronistisches Instrument, mit dem verschleiert werden soll, was Kinder und Jugendliche und ihre Erziehungsberechtigten tatsächlich brauchen: „Dass Kinderbetreuung und Bildung in diesem Land endlich kostenlos angeboten werden“, sagt Hofmann. Dazu zählt ihrer Meinung nach auch: „Mittagessen und kulturelle Angebote in den Kitas und Ganztagsschulen zu institutionalisieren.“

Experten-Mehrheit lehnt Wohnkostenpauschalen bei Hartz-IV-Empfängern ab

Geschrieben von Deutscher Bundestag. Veröffentlicht in Pressemitteilungen

Ausschuss für Arbeit und Soziales (Anhörung) - 07.05.2012

Berlin: (hib/MLA) In einer öffentlichen Anhörung zur Berechnung von Wohn- und Heizkosten von Hartz-IV-Beziehern im Ausschuss für Arbeit und Soziales äußerten sich zwölf geladene Experten. Vorausgegangen war der Antrag der Fraktion Die Linke (17/7847). Die Abgeordneten kritisieren in ihrem Antrag das Recht der Länder, Kreise und kreisfreie Städte zu ermächtigen, monatliche Pauschalen für die Höhe von Miet-und Heizungskosten bei Hartz-IV-Beziehern festzulegen. Durch Pauschalen würden sich letztlich bei den Kommunen „die Kosten nicht verringern, sondern erhöhen“, argumentiert die Linksfraktion. Schon um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen, müssten Pauschalen sehr hoch angesetzt werden, um „bedarfsdeckend“ zu sein. Schließlich dürfe kein Hartz-IV-Bezieher gezwungen sein, „Teile seines Regelsatzes für die Kosten der Unterkunft zu verwenden.“ Stattdessen sollten neue Mindeststandards für Wohn-und Heizungskosten eingeführt werden.

Zudem spricht sich die Die Linke gegen „Zwangsumzüge“ im ersten Jahr des Hartz-IV-Bezuges aus. Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass Hartz-IV-Empfänger nach maximal sechs Monaten umziehen müssen, wenn ihre Wohnkosten zu hoch sind. Da sich Hartz-IV-Bezieher vor allem darum kümmern sollten, eine neue Arbeit und nicht eine neue Wohnung zu finden, sei die Sechs-Monatsregel kontraproduktiv, argumentiert die Linksfraktion. Sie fordert, die Bleibedauer in der angestammten Wohnung bei Hartz-IV-Bezug auf 12 Monate auszudehnen.

Die Sachverständige Alexandra Frank-Schinke lehnt bedarfsgerechte Pauschalen ab, weil sie „zu teuer“ sind. „Das würde nur dazu führen, dass die, die eine geringere Miete haben, trotzdem die volle Pauschale bekommen.“ Potenzial für Einsparungen durch Pauschalen sieht Frank-Schinke kaum, da eine Einzelfallprüfung ohnehin stets erfolgen müsse. „In der Praxis würden die Kommunen daher so gut wie nie auf Pauschalen zurückgreifen“, sagte Frank-Schinke.

Aus den gleichen Gründen sprach sich der Sachverständige Dr. Andy Groth gegen Wohnkosten-Pauschalen aus. Auch der Experte Joachim Rock sagte, dass Kostenersparnisse in der Verwaltung durch Pauschalen nicht zu erwarten seien.

Die Forderung nach neuen Mindeststandards bei der Berechnung der Aufwendungen für Wohn-und Heizungskosten wies Regine Offer vom Deutschen Städtetag zurück. Es herrsche kein Handlungsbedarf, da es bereits „sehr dezidierte Regelungen“ gebe. Neue zentrale Vorgaben seien „nicht zielführend“.

Kontroverser diskutiert wurde das Thema „Zwangsumzug“: Der Experte Dr. Stefan Schiffersdecker hält die im Antrag vorgeschlagene Fristverlängerung von sechs auf 12 Monate für zu lang. Er sieht die Gefahr von Missbrauch. Auch werde Harz-IV-Empfängern ein Anreiz genommen, sich der neuen Situation anzupassen. Laut dem Sachverständigen Holger Gautzsch könnte eine Fristverlängerung auf 12 Monate jedoch Sinn machen. Aufgrund der dreimonatigen Kündigungsfrist bei Wohnungen bliebe den Empfängern gegenwärtig kaum Zeit, sich eine neue Wohnung zu suchen.

Das Argument der Linksfraktion, die Wohnungssuche würde die Jobsuche behindern, ließ Michael Schweiger von der Bundesagentur für Arbeit nicht gelten. Dazu gebe es keine validen Erhebungen.

Auch unterwegs aktuell informiert mit der kostenlosen App "Deutscher Bundestag" und unter m.bundestag.de.

Gerechtere Vermögensverteilung - "UmFAIRteilen - Reichtum besteuern"

Geschrieben von nak. Veröffentlicht in Pressemitteilungen

Zum Tag der Arbeit am 1. Mai: Harsche Kritik von nak-Sprecher Thomas Beyer an ständig steigender prekärer Beschäftigung

Zynisch, gefährlich, unnötig – anders kann man diesen anhaltenden Trend auf dem Arbeitsmarkt nicht bezeichnen: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die von ihrer Arbeit nicht leben kann, steigt so stetig wie rasant. Mitte 2011 mussten laut DGB bundesweit 570.000 Menschen trotz einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit mit Hartz IV-Leistungen aufstocken. Dafür ist innerhalb eines Jahrs die gigantische Summe von 4 Milliarden Euro geflossen. „Der Staat ist längst der Schutzpatron des Niedriglohnsektors“, empört sich Thomas Beyer, Sprecher der Nationalen Armutskonferenz (nak). Während hilfreiche Instrumente wie Beschäftigungsmaßnahmen von der Bundesregierung als überflüssig gestrichen wurden, subventioniere sie gerade die Arbeitgeber, die das andauernde Wirtschaftswachstum in keiner Weise an die Beschäftigten weitergeben: „Statt angemessen zu bezahlen, maximiert eine Vielzahl von ihnen ihre Gewinne mit Hungerlöhnen“, stellt Beyer fest.

Die Zahlen aus Studien und amtlicher Statistik lassen kein anderes Urteil zu: Zu den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Aufstockern kommen jene Menschen im Hartz IV-Bezug, die einem Mini-Job nachgehen oder selbständig sind. Insgesamt leben laut DGB-Studie fast 1,4 Millionen Aufstocker in Deutschland; 100.000 mehr als noch im Jahr 2007. Beyer: „Während diese Menschen schon aktuell finanziell kaum über die Runden kommen, ist den meisten von ihnen Altersarmut so gut wie gewiss.“

Aber nicht nur Empfängern von Sozialleistungen droht dieses Schicksal: Laut statistischem Bundesamt basieren 75 Prozent des zwischen 2009 und 2010 verzeichneten Beschäftigungszuwachses auf atypischen Beschäftigungsverhältnissen – Stichwort  Leiharbeit: Über 900.000 Menschen waren es Mitte vergangenen Jahres (155 Prozent mehr als vor einem Jahrzehnt!), die Vollzeit für ein meist unterdurchschnittliches Einkommen mit laschem Kündigungsschutz arbeiten mussten. Zur gleichen Zeit arbeiteten etwa 2,7 Millionen befristet, denn nahezu  die Hälfte (45 Prozent) der neuen Arbeitsverträge ist zeitlich begrenzt. Und schließlich: Ende 2011 übten 7,5 Millionen Menschen einen Mini-Job aus. Summa summarum arbeitet jeder Vierte in Deutschland für einen Niedriglohn.

„Mindestlohn für alle, unbefristete Verträge und mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze sind keine Utopien, sondern originäre Rechte der Arbeitnehmer, die endlich verankert werden müssen – damit jeder menschenwürdig leben kann und nicht zuletzt: Damit der soziale Frieden gewahrt bleibt“, fordert Beyer. Die gesellschaftlichen Unruhen in anderen EU-Staaten wie Spanien, Griechenland und Italien dürften nicht als weit weg vom Wirtschaftsboom-Land Deutschland abgetan werden: „Laut einer Studie des AWO-Bundesverbands empfinden 91 Prozent der Befragten, dass die Einkommensungleichheit in Deutschland ausufert“, sagt Beyer. 

Hartz IV verfassungswidrig - Regelsatz um 36 Euro zu niedrig

Veröffentlicht in Pressemitteilungen

Beschluss vom 25. April 2012 (S 55 AS 9238/12): Nach Auffassung der 55. Kammer des Sozialgerichts Berlin verstoßen die Leistungen des SGB II gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die Kammer hat daher dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungswidrigkeit des SGB-II-Regelbedarfs zur Prüfung vorgelegt. Zwar seien die Leistungen nicht evident unzureichend. Der Gesetzgeber habe bei der Festlegung des Regelsatzes jedoch seinen Gestaltungsspielraum verletzt. Die Referenzgruppe (untere 15 % der Alleinstehenden), anhand deren Verbrauchs die Bedarfe für Erwachsene ermittelt worden sind, sei fehlerhaft bestimmt worden. Die im Anschluss an die statistische Bedarfsermittlung vorgenommenen Kürzungen einzelner Positionen (Ausgaben für Verkehr, alkoholische Getränke, Mahlzeiten in Gaststätten und Kantinen, Schnittblumen u.s.w) seien ungerechtfertigt. Insbesondere habe der Gesetzgeber dabei den Aspekt der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unzureichend gewürdigt. Im Ergebnis seien die Leistungen für einen Alleinstehenden um monatlich rund 36 Euro und für eine dreiköpfige Familie (Eltern und 16-jähriger Sohn) um monatlich rund 100 Euro zu niedrig bemessen.

Die Kläger, eine gewerkschaftlich vertretene dreiköpfige Familie aus Neukölln, erhoben am 13. Juli 2011 Klage gegen das Jobcenter Berlin Neukölln wegen der Höhe der ab Januar 2011 bewilligten Leistungen. Für den letzten umstrittenen Zeitraum Januar bis Juli 2012 waren ihnen nach Anrechnung von Einkünften aus Erwerbsminderungsrente, Kindergeld und Erwerbseinkommen Leistungen von insgesamt 439,10 Euro bewilligt worden. Das Jobcenter hatte der Leistungsberechnung den gesetzlichen Regelbedarf von 2 x 337 Euro für die Eltern und 287 Euro für den 16-jährigen Sohn zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung zugrunde gelegt. Die Kläger trugen vor, dass sie mit dem bewilligten ALG II ihre Ausgaben nicht decken könnten. Trotz größter Sparsamkeit müssten sie regelmäßig ihren Dispokredit und Privatdarlehen in Anspruch nehmen.

Die 55. Kammer des Sozialgerichts Berlin in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richterninnen kam heute nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu der Überzeugung, dass die Kläger zwar nach den ab 2011 gültigen SGB II-Vorschriften keine höheren Leistungen beanspruchen könnten. Diese Vorschriften seien jedoch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Richter haben das Verfahren daher ausgesetzt und die Frage der Verfassungsmäßigkeit des aktuellen Regelsatzes dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetzgeber in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09)(Externer Link) einen Gestaltungsspielraum zur Bestimmung des Existenzminimums eingeräumt. Das Gesetzgebungsverfahren müsse jedoch transparent erfolgen und methodisch und sachlich nachvollziehbar sein. Insoweit zulässig habe der Gesetzgeber zur Bemessung des Existenzminimums ein Statistikmodell verwandt, das auf einer Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 (EVS 2008) beruhe.

Bereits die Auswahl der unteren 15 % der Alleinstehenden als Referenzgruppe sei jedoch mit massiven Fehlern behaftet. Sie sei ohne nachvollziehbare Wertung und damit willkürlich erfolgt. Es sei nicht begründet worden, wie aus dem Ausgabeverhalten dieser Gruppe auf eine Bedarfsdeckung der Leistungsberechtigten geschlossen werden könne. Die Referenzgruppe enthalte unter anderem auch Haushalte von Erwerbstätigen mit „aufstockendem“ Bezug von existenzsichernden Leistungen sowie Studenten im BAföG-Bezug und Fälle „versteckter Armut“. Es stelle einen unzulässigen Zirkelschluss dar, deren Ausgaben zur Grundlage der Berechnung existenzsichernder Leistungen zu machen. Darüber hinaus lasse das Ausgabeverhalten Alleinstehender keinen Schluss auf die besondere Bedarfslage von Familien zu. Nicht hinreichend statistisch belegt sei zudem, dass es mit den ermittelten Beträgen noch möglich sei, auf langlebige Gebrauchsgüter (Kühlschrank/Waschmaschine) anzusparen.

Auch der wertende Ausschluss bestimmter Güter und Dienstleistungen aus dem Ausgabekatalog der EVS 2008 sei jedenfalls hinsichtlich der Positionen Verkehr, Mahlzeiten in Restaurants/Cafés und Kantinen, Ausgaben für alkoholische Getränke, Schnittblumen und chemische Reinigung nicht nachvollziehbar begründet. Der Gesetzgeber verkenne insbesondere, dass das Existenzminimum auch die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen zu ermöglichen habe. Im Übrigen sei bei einem derart „auf Kante genähten“ Regelbedarf das Statistikmodell seiner Legitimation beraubt. Das Statistikmodell und die Gewährung pauschaler Leistungen beruhten gerade darauf, dass der Gesamtbetrag der Leistung es erlaube, einen überdurchschnittlichen Bedarf in einer Position durch einen unterdurchschnittlichen Bedarf in einer anderen Position auszugleichen. Dieser interne Ausgleich sei durch die umfangreichen Streichungen nicht mehr ausreichend möglich.

Angesichts des Ausmaßes der aufgezeigten Fehler seien die Vorschriften zur Höhe des Regelsatzes (§§ 19, 20, 28 SGB II) verfassungswidrig. Für alleinstehende Personen müsse ab 2012 ein monatlicher Fehlbetrag von 36,07 Euro, für die klägerische Bedarfsgemeinschaft von ca. 100 Euro angenommen werden.

Schriftliche Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor.

Anmerkungen der Pressestelle: Der Beschluss der 55. Kammer ist der deutschlandweit erste Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht, in dem es um die Klärung der Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelsatzhöhe geht. Allein das Bundesverfassungsgericht ist befugt, ein Parlamentsgesetz für verfassungswidrig zu erklären.

Am Berliner Sozialgericht sind zurzeit 107 Kammern mit der Bearbeitung von Klagen aus dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II – dem sogenannten Hartz IV Gesetz) befasst. Weitere Entscheidungen, die von der Verfassungswidrigkeit des aktuellen Regelsatzes ausgehen, sind bisher nicht bekannt. Ausdrücklich bejaht hat die Verfassungsmäßigkeit des Regelsatzes unter Verweis auf entsprechende Urteile der Landessozialgerichte von Bayern und Baden-Württemberg zum Beispiel die 18. Kammer des Sozialgerichts Berlin, Urteil vom 29. März 2012 – S 18 AS 38234/10.(Externer Link)

Nach wie vor bewegen sich die Eingangszahlen am SG Berlin auf dem Rekordniveau der letzten beiden Jahre. Im ersten Quartal 2012 gingen 7.857 neue Hartz IV Verfahren ein – ein monatlicher Durchschnitt von 2.619.

Quelle: berlin.de

 

Und es ist doch ein Bürokratiemonster

Geschrieben von nak. Veröffentlicht in Pressemitteilungen

nak-Sprecher Thomas Beyer zur heutigen Bilanz von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen zum Bildungs- und Teilhabepaket

Nicht jeder Jahrestag ist ein Anlass zur Freude: Exakt vor zwölf Monaten verabschiedete die Bundesregierung ihr Bildungs- und Teilhabepaket (rückwirkend zum 1. Januar 2011). Auch wenn Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen dies in ihrer heutigen Bilanz bestritten hat: Das Bildungs- und Teilhabepaket ist und bleibt ein Bürokratiemonster. Schließlich gibt von der Leyens Ressort auf seiner Internetseite selber an: „Der häufigst genannte Grund, das Bildungspaket nicht zu beantragen, war (…) ein hoher Antragsaufwand.“

„Es ist unfassbar, dass nach einem Jahr immer noch etwa die Hälfte der rund 2,5 Millionen anspruchsberechtigten Kindern nicht zu seinem Recht auf Bildung und Teilhabe kommt“, sagt Thomas Beyer, Sprecher der Nationalen Armutskonferenz (nak). Bislang bliebe so mancher Antrag zwischen den Instanzen von Bund, Land und Kommunen „hängen“. Dafür sind laut Beyer nicht zuletzt die Kommunen verantwortlich: „Sie müssen schleunigst effektiver – das heißt zeitnah, unbürokratisch und ohne stigmatisierende Praxis – zwischen Berechtigten und Anbietern von Freizeit- und Nachhilfeangeboten vermitteln. Die Kommunen müssen auf die Berechtigten zugehen, nicht nur umgekehrt“, fordert der nak-Sprecher. Manche Kommunen, die gar eine Blockade-Haltung zeigten, müssten diese umgehend aufgeben. Beyer: „Alles andere ist ein übles Spiel mit den Rechten von Kindern.“

Für das Bildungs- und Teilhabepaket stellt das Bundesarbeitsministerium pro Jahr rund 400 Millionen Euro zur Verfügung. Dass diese Summe im vergangenen Jahr nicht annähernd abgerufen wurde, belegen diese Zahlen: Auf nak-Anfrage teilt die Bundesagentur für Arbeit mit, dass sie 2011 an rund 300 Kommunen bundesweit Mittel in Höhe von 130 Millionen Euro aus erwähntem Paket ausgezahlt hat (nicht enthalten sind in dieser Berechnung 110 Optionskommunen, die nicht mit der Bundesagentur zusammenarbeiten).

Abgeklemmt – Steigende „Energiearmut“ ist deutschlandweit ein handfestes Problem

Geschrieben von nak. Veröffentlicht in Pressemitteilungen

Zu den in diesen Tagen anstehenden Erhöhungen für Strom und Gas: „Energie wird immer mehr zum Luxusgut“, beklagt der stellvertretende nak-Sprecher Kurt Klose

Leider kein vorgezogener Aprilscherz: In diesen Tagen flattern den Verbrauchern Benachrichtigungen der großen Energieversorger ins Haus, in denen die Anbieter Erhöhungen für Gas- und Strompreise ankündigen. „Wo soll das hinführen? In den vergangenen zwei Jahren sind die Energiekosten durchschnittlich um rund 15 Prozent gestiegen. Trotzdem soll es jetzt nochmal teurer werden“, beklagt Kurt Klose, stellvertretender Sprecher der Nationalen Armutskonferenz (nak). Bereits jetzt könnten sich viele Menschen nicht mehr leisten, ihre Wohnung angemessen zu heizen und zu beleuchten. Das habe vor allem in den Wintermonaten fatale Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit.

Nach Schätzungen der Verbraucherzentrale NRW ist 600.000 Haushalten im Jahr 2010 der Strom abgestellt worden, weil die Menschen ihre Rechnungen nicht zahlen konnten. „Gerade Bezieher von Arbeitslosengeld II, Grundsicherungsleistungen und Geringverdiener sind davon betroffen“, weiß Klose, der selber als Schuldnerberater Klienten mit diesen Nöten betreut. Ihnen Darlehen und Ratenzahlungen zu gewähren, hält Klose für keine Lösung, „weil sie das Problem nur verschieben“.

„Energie wird zum Luxusgut für die rund 14,5 Prozent der von Armut bedrohten Menschen in Deutschland. Ein Leben ohne Energie ist aber nicht menschenwürdig und führt zu Ausgrenzung“, resümiert der stellvertretende nak-Sprecher. So sei es heutzutage fast unmöglich, ohne Strom und Gas beispielsweise warme Mahlzeiten zuzubereiten. Die aber sind für eine ausgewogene Ernährung unabdingbar. Ohne warmes Wasser wiederum seien Körperhygiene und Wäschewaschen nur schwer zu bewerkstelligen.

Klose: „Es besteht akuter Handlungsbedarf. Gemeinsam müssen die Verantwortlichen aus Politik und von den Energieversorgern sowie Verbraucher- und Schuldnerberater bundesweit einheitliche Lösungen erarbeiten. Die Erfahrungen aus einzelnen Projekten wären dabei sicherlich hilfreich.“ So sind aus seiner Sicht ganzheitliche Hilfsangebote sinnvoll, die über die reine Energieberatung hinausgehen. Die Erfahrungen aus der Schuldnerberatung zeigten nämlich, „dass die Strom- und Gasschulden meistens Indikatoren für weitere Schulden sind“.