Notwendige Existenzsicherung bei Auszahlungssperre im Januar 2012

Veröffentlicht in Arbeitslos

von Martin Langenbahn, CV Karlsruhe, und Prof. Dr. Dieter Zimmermann, EH Darmstadt

Ab dem 1. Januar 2012 fällt der herkömmliche Kontopfändungsschutz nach § 850l ZPO- 2010, aber auch der herkömmliche Verrechnungsschutz für Sozialleistungen nach § 55 SGB I weg.

Pfändungsschutz nur noch mittels P-Konto
Die auf der Grundlage des bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Rechts erlassenen Freigabebeschlüsse der Vollstreckungsgerichte sowie die Freigabeentscheidungen der Vollstreckungsbehörden von öffentlichen Gläubigern gelten nicht über den Jahreswechsel hinaus fort. Obwohl eine gesetzliche Überleitungsvorschrift fehlt, bedürfe es keiner förmlichen Aufhebung der Beschlüsse/Entscheidungen, wie das Bundesjustizministerium in seinen FAQs klargestellt hat. Mit Ablauf des Jahres würden sie automatisch gegenstandslos, da die gesetzliche Grundlage für die Kontofreigabe entfalle.
Fazit: Von 2012 an besteht Kontopfändungsschutz nur noch auf P-Konten.

Verrechnungsschutz bei Sollstand nur noch mittels P-Konto
Vom Wegfall des § 55 SGB I sind sowohl Sozialleistungsempfänger mit bestehenden Altpfändungen betroffen, als auch Empfänger von Sozialleistungen und Kindergeld, die ihr Konto im Soll führen. Ab 2012 wird die Verrechnung eines Sollstandes nun auch mit Sozialleistungen auf dem herkömmlichen Konto rechtlich zulässig sein. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Banken von dieser Möglichkeit nicht mit voller Schärfe Gebrauch machen werden (vgl. die bisherige Handhabung bei Gehaltseingängen) – kommen die Kontoinhaber unter erheblichen Druck und werden sich vielfach der Forderung ausgesetzt sehen, den Sollstand mit (zu) hohen Raten zurückzuführen!
Fazit: Eine gesetzliche Verpflichtung des Kreditinstituts, Sozialleistungen und Kindergeld trotz Sollstandes auszuzahlen, besteht von 2012 an nur noch auf einem P-Konto. Achtung: Sowohl bei bestehender Kontopfändung, als auch bei Verrechnung durch die Bank greift keine 4-wöchige Schutzfrist (Moratorium) ein. Der Schuldner muss vielmehr damit rechnen, dass die Auskehrung an den Gläubiger bzw. die Verrechnung durch die Bank gleich zu Jahresanfang 2012 erfolgt.

Informationsoffensive zum Jahreswechselproblem
Auf den Wegfall des Pfändungs- und Verrechnungsschutzes haben sowohl die Sozialen Schuldnerberatungen, die Wohlfahrtsverbände und die Verbraucherzentralen, als auch das Bundesjustizministerium, das Bundessozialministerium und die Jobcenter sowie nicht zuletzt die Kreditinstitute in vielfältiger Weise durch Kundeninformationen, Pressemeldungen, Informationsschreiben, Flyer, kreative Plakataktionen, Tagungen, Runde Tische und persönliche Ansprachen aufmerksam gemacht.
Diese breit angelegte Kundenansprache ist sicherlich auch ein Ergebnis der kontinuierlichen Kontakte, Arbeitstreffen und Absprachen, die seit 2010 zwischen den Rechtabteilungen der Deutschen Kreditwirtschaft und dem Arbeitskreis Girokonto der AGSBV regelmäßig stattfinden. Trotz der offensichtlichen Interessengegensätze konnten bereits im Juli 2011 als Ergebnis einer fairen Zusammenarbeit eine ausführliche Kundeninformation sowie eine Flyer- Kurzfassung zum Jahreswechselproblem vorgelegt werden.

Vorhersehbare Notlagen zu Jahresbeginn
Trotz aller Anschreiben, Presseaktionen und Infomaterialien steht zu befürchten, dass es Anfang Januar in Einzelfällen zu Auszahlungssperren kommt, weil betroffene Konten doch nicht (rechtzeitig) in Pfändungsschutzkonten umgewandelt wurden. Zunächst steht zu hoffen, dass die Kreditinstitute aus sozialer Verantwortung heraus (und um Eklats mit erbosten Kunden in ihren Schalterhallen zu vermeiden) auf eine mögliche Verrechnung zu ihren Gunsten auf dem Girokonto verzichten und trotz Konto-Sollstands die Sozialleistungen und Kindergeld-Gutschriften in voller Höhe auszahlen. Aber das sind Good-will-Aktionen! Bei bestehenden Kontopfändungen dürften die Kreditinstitute zu Jahresbeginn schon aus Haftungsgründen heraus geneigt sein, der BMJ-Linie folgen und Girokonto-Guthaben, die dann nicht mehr durch Freigabebeschlüsse geschützt sind, an die erstrangig pfändenden Gläubiger auszukehren. Inwieweit hier Vollstreckungsgerichte im Einzelfall die Kontopfändung aus Härtefall-Gesichtspunkten heraus nach § 765a ZPO vorläufig einstellen bzw. aufheben werden, ist offen.

Formulierungshilfe „SGB-Leistungsantrag samt Vorschuss“ wegen Auszahlungssperre
Sollten Kontoinhaber in eine wirtschaftliche Notlage geraten, weil im Einzelfall tatsächlich keine Auszahlung erfolgt und Rücklagen fehlen, bleibt letztlich nur der Weg zu Jobcenter und Sozialamt.

Betroffene, die sich bereits im SGB II-Leistungsbezug befinden
und deren ALG II-Leistung Ende Dezember 2011 gutgeschrieben worden ist, die jedoch im Januar mangels P-Kontos keine Auszahlung erhalten, müssen sich direkt an ihren persönlichen Ansprechpartner im Jobcenter wenden. Sie beantragen nach § 24 SGB II eine erneute Auszahlung ihres Regelbedarfs (und ggf. zusätzlich nach § 22 Abs. 8 SGB II die Übernahme der rückständigen Miete). Diese SGB II-Leistung wird nur als Darlehen bewilligt werden, wobei die Darlehenstilgung durch Verrechnung nach § 42a SGB II erfolgen wird und in den Folgemonaten jeweils 10% des maßgeblichen Regelsatzes des Darlehensnehmers einbehalten werden.

Soforthilfe für sonstige Erwerbsfähige bzw. Erwerbstätige
Für Erwerbsfähige bzw. Erwerbstätige, die sich nicht im SGB II-Leistungsbezug befinden, ist ebenfalls das Jobcenter für die überbrückende Soforthilfe zuständig.
Nachstehend ist eine Antragshilfe formuliert, um beim zuständigen Leistungsträger den Anlass für die Notlage und die Dringlichkeit der Soforthilfe zu verdeutlichen. Es steht zu erwarten, dass zusätzlich der übliche ALG II-Antrag ausgefüllt werden muss.

Erwerbsunfähige, z.B. Altersrentner, stellen Ihren Soforthilfe-Antrag beim Sozialamt.

Download PDF mit Formulierungshilfe