Gedanken zur Armut

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Armut bezeichnet primär der Mangel an lebenswichtigen Gütern (beispielsweise Nahrung, Obdach, Kleidung), im weiteren und übertragenen Sinn allgemein einen Mangel.

Armut ist ein soziales Phänomen: Dabei wird „Armut“ als Zustand gravierender sozialer Benachteiligung mit der Folge einer „Mangelversorgung mit materiellen Gütern und Dienstleistungen“ verstanden. In dieser Form wird sie in Mythologie und Sage, in den Künsten und wissenschaftlich behandelt. Von wirtschaftlicher Armut im engeren Sinne gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Definitionen. Dies ist zum einen die absolute Armut, bei der einer Person weniger als 1,25 PPP-US-Dollar pro Tag zur Verfügung stehen, und zum anderen die relative Armut, bei der ein Einkommen deutlich unter dem Durchschnitt aller Einkommen eines Landes (eines Staates) liegt.

Soweit die Kurzdefinition der Wikipedia.

Wie aber kommt es in einer Gesellschaft zu so unterschiedlichen Besitzverhältnissen, die letztlich zur Armut führen?

Philosophisch gesehen gibt es verschiedene Theorien, die versuchen, eine Begründung zu finden. Da wäre zum Einen die unterschiedliche Bevölkerungsdichte, die geografisch gegebenen Ressourcen an verfügbarem Ackerland und Bodenschätzen, der Zugang zu anderen Märkten zwecks Austauschs von Produkten, aber auch von Wissen und zum Anderen die Durchsetzung der ökonomischen Interessen mit militärischen Mitteln.

Innerhalb eines Staates werden diese ökonomischen Interessen durch ungleiche Verteilung der Produktionsmittel, die zur Wertschöpfung notwendig sind, durchgesetzt. Als Instrumente dienen die Gesetzgebung, die Ausnutzung ethnischer- und Glaubenskonflikte, die Medienberichterstattung und andere Möglichkeiten, einen vermeintlich notwendigen ökonomischen Wettbewerb (Neiddebatte, Geiz ist geil) unter Personengruppen und Einzelpersonen zu schüren.

Wirtschaftliche Grundlage bleibt dabei das Leistungsprinzip und eine Marktwirtschaft, was jedoch bei Erfolgen mehr eine gesellschaftliche Anerkennung als ökonomische Übervorteilung zum Lohn haben muss.

Das Auseinanderdriften der Einkommen in Deutschland, die sogenannte Schere zwischen arm und reich, ist der Missachtung solcher Grundsätze geschuldet. In unserem christlich geprägten Land sollte es uns doch eigentlich nicht schwer fallen, die 10 Glaubensgebote als Grundlage unseres Tuns und Handelns anzuerkennen. Im Übrigen gelten in allen anderen Religionen gleiche oder ähnliche Verhaltensmuster als erstrebenswert.

Historisch gesehen, wurde der Konflikt zwischen Arm und Reich erstmalig mit Einführung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und dem Sozialstaatsgebot in den Anfängen der Bundesrepublik scheinbar durch Sozialpartnerschaften und der damit einhergehenden Vollbeschäftigung, gelöst (Soziale Marktwirtschaft), jedoch mit Einführung der Agenda 2010 dem Individualprinzip in allen Bereichen der Sozialpolitik und der damit einhergehenden Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme geopfert, was besonders im Arbeitsmarktbereich negative Auswirkungen hatte. Anders ausgedrückt: Keine Leistung ohne Gegenleistung. Gesellschaftlich erbrachte Vorleistungen wurden nur ungenügend berücksichtigt. Eigene erarbeitete Alterssicherungen müssen zum größten Teil aufgebraucht werden. Das führt im Zusammenhang mit der unzureichenden Arbeitsmarktpolitik und hinsichtlich der demographischen Entwicklung unweigerlich zur Altersarmut. Der Wille zum Machterhalt der in der jeweiligen Legislaturperiode Regierenden, ist als Triebkraft für konstruktive perspektivische Entwicklungen nicht geeignet.

In immer geschickterer Verpackung wird an Lösungen herumgebastelt. Diese Unzulänglichkeiten seitens der Politik führen zu Protesten in vielen verschiedenen Bürgerbewegungen. Eine fehlende Lobby und die Zersplitterung der Kräfte ist der Grund, warum eine derartige neoliberale Denkweise überhaupt noch eine Basis besitzt.

Trotz der einhelligen Meinung, dass die bekannten Faktoren (Mindestlohn, Qualifizierungsmaßnahmen, bezahlbarer Wohnraum, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben …..) keine Berücksichtigung fanden, wurde das europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2010 aus Sicht der Bundesregierung als vollen Erfolg verkauft. Die mageren Ergebnisse wurden mit sogenannten Leuchtturmprojekten hochstilisiert und unbezahlte Praktika als unabdingbar und lehrreich bewertet, aber man kam an einer neuen Agenda auf europäischer Ebene nicht vorbei. So entstand die Plattform 2020. Sie ist ein Schlüsselelement der Strategie EU 2020.

Mit Gewissheit ist es so, dass die Probleme der Armutsbewältigung in den einzelnen EU-Staaten nicht pauschal erfassbar sind. Dem versucht man, durch die Erfassung unterschiedlicher Kriterien zu begegnen. Die EU-Staaten können sich entsprechend der Agenda, die für sie vermeintlich entscheidenden auswählen und zu einer Lösung führen. Dabei hat sich die Bundesregierung die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit zum hären Ziel gesetzt und das mit Maßstäben, die einen Erfolg schon in nächster Zeit vermuten lassen. Völlig außer Acht gelassen wurden wiederum die tatsächlichen Missstände wie Lohndumping, Leiharbeit, Teilzeitarbeit und Equal Pay, die allesamt zu einer Verschärfung der Armut in Deutschland beitragen. Insgesamt setzt die Bundesregierung auf Freiwilligkeit und ehrenamtliche Kräfte, um die ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums zu sichern.

Kampagnen, wie die massive mediale Anprangerung der Sozialbetrügereien ohne Nennung der statistischen Hintergründe und die „Schlacht“ um das so hochgepriesene Bildungspaket, lenken von den eigentlichen Problemen ab und treiben einen Keil zwischen die Menschen. Das ist auch notwendig, um die ökonomischen Interessen einer reichen Oberschicht zu sichern.

Es muss uns allen endlich gelingen, im Sinne einer echten Demokratie eine Bewegung in Form einer Agenda 2020 gegen Armut und Ausgrenzung in europäischen Maßstab von der Basis herauf in Gang zu setzen. Wir sitzen sozusagen alle in einem Boot. Eine gemeinsame Plattform muss eine freiwillige Koordinierung politischer Maßnahmen und den Austausch von Kenntnissen fördern. Derartige Zielstellungen lassen sich nur durch die Bündelung aller Kräfte im Rahmen der Nationalen Armutskonferenz durchsetzen, wobei der Nachhaltigkeit der Ergebnisse der jährlichen Tagungen mehr Rechnung getragen werden muss..

Dietmar Hamann

Sulingen, April 2011