Serie - Teil 1: Hartz IV verstößt gegen internationales und nationales Recht

Geschrieben von Norbert Wiersbin. Veröffentlicht in Allgemeines

In der anhaltenden und an Schärfe zunehmenden Diskussion um die rechtliche Bewertung des SGB II (Hartz IV) wird ein unabdingbarer juristischer Grundsatz nicht ausreichend berücksichtigt. Dieser lautet: Höheres Recht bricht niedrigeres Recht (lex superior derogat legi inferiori)! Im Rechtskreis des SGB II findet dieser Grundsatz keine Anwendung, eine Entwicklung, die eindeutig die Prinzipien jeder Rechtsstaatlichkeit außer Kraft setzt – rechtswidrig, wie sich zeigen wird, nationales wie internationales Recht eindeutig verletzend. In dem vorliegenden Exkurs wird der Nachweis geführt, dass niedriges Recht (das SGB II) schon in seinen Grundzügen sich unerlaubt und ohne Rechtfertigung gegen höheres Recht stellt und das in einem derart erschreckenden Ausmaß, dass die Zeit gekommen ist, sich auch auf gerichtlichem Wege dagegen zur Wehr zu setzen. Dort wo der Rechtsstaat disponibel wird, systematisch und politisch gewollt, dort ist die Preisgabe der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bereits auf den Weg gebracht.

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes waren von der festen Absicht beseelt, schreiendes Unrecht, wie es in Zeiten des nationalsozialistischen und faschistischen Terrorregimes des „Dritten Reiches“ herrschte, auf ewig zu verhindern. Deshalb garantiert Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland im Abs. 4 das Recht eines jeden Deutschen, gegen jeden Widerstand zu leisten, der es unternimmt, die dort in Abs. 1 bis 3 niedergelegte Verfassungsordnung zu beseitigen, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Angesichts der faktischen Außerkraftsetzung grundgesetzlich garantierter und durch international verbindliches Völkerrecht verbriefter Menschenrechte, wird der Widerstand geradezu zur Pflicht!

Dieser Widerstand wächst zusehends, eine überparteiliche und außerparlamentarische Bewegung macht sich bereit für den entscheidenden Kampf zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, stellt sich auf, um die Wiedergeburt eines menschenverachtenden und mörderischen Faschismus abzuwehren. Im vorliegenden Beitrag geht es mir darum, Wege aufzuzeigen, die dieser Bewegung zum Erfolg verhelfen können, auch wenn es schon eine Minute vor zwölf ist. Dabei habe ich in den letzten Tagen hochgradige Unterstützung aus dem europäischen Ausland erhalten. Dort wächst die Empörung über die Entwicklungen in Deutschland, einem wachsenden Unrechtsstaat, der sich mal wieder dazu aufschwingt, mit seinem Wesen Europa und schließlich die gesamte Welt zu tyrannisieren. Dort wächst aber auch die Bereitschaft, besagten Widerstand zu unterstützen. Dies ist, das darf ich an dieser Stelle schon vorweg nehmen, ein erster Erfolg besagter Bewegung, ihr ist bereits gelungen, die Aufmerksamkeit auf die deutschen Verhältnisse zu lenken und internationalen Beistand zu organisieren. Die Geister die gerufen sind, werden nicht mehr loslassen, bis die verbrecherische Politik einer gesetzlosen „Elite“, die sich über Recht und Moral stellt, ein Ende findet.

Ich werde nun, in der Rangfolge der Rechtsgüter („von oben nach unten“), den vielfältigen und wie gesagt systematischen Rechtsbruch aufzeigen, vom Völkerrecht bis hin zum nationalen Recht. Ich werde zu jedem erkannten Rechtsbruch Wege aufzeigen, die die Bundesrepublik Deutschland und ihre Vertreter zur Anklage bringen und diese in ihre Schranken zu verweisen behilflich sein können. Die aufgezeigten Rechtswege sind erfolgversprechend, ersetzen aber nicht den organisierten Widerstand außerhalb und innerhalb der Parlamente. Wem die Verteidigung der Demokratie ernsthaft am Herzen liegt, der darf keine Möglichkeit des Aufbegehrens und des aktiven Kampfes auslassen. Der Widerstand muss jetzt ein Ausmaß annehmen, der die Ewig-Gestrigen und ihre faschistoiden Absichten von der Bühne der Geschichte hinweg fegt. Noch ist es nicht zu spät, noch haben die Unmenschen nicht obsiegt!

1. Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EMRK)

Die “Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ kodifiziert Grund- und Menschenrechte im Rahmen der Europäischen Union. Mit der Charta sind die EU-Grundrechte erstmals umfassend schriftlich und in einer verständlichen Form niedergelegt. Sie orientiert sich an der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Europäischen Sozialcharta, den mitgliedstaatlichen Verfassungen und internationalen Menschenrechtsdokumenten, aber auch an der Rechtsprechung der europäischen Gerichtshöfe.

Die Charta wurde ursprünglich vom ersten europäischen Konvent unter dem Vorsitz von Roman Herzog erarbeitet und u.a. vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union gebilligt. Rechtskraft erlangte die zur Eröffnung der Regierungskonferenz von Nizza am 7. Dezember 2000 erstmals feierlich proklamierte Charta – nach dem Scheitern des Europäischen Verfassungsvertrages - jedoch erst am 1. Dezember 2009, gemeinsam mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon. Die Grundrechtecharta ist nicht mehr Teil des Vertrags, wie noch in dem gescheiterten Verfassungsentwurf vorgesehen; durch den Verweis in Artikel 6 des durch den Lissaboner Vertrag geänderten EU-Vertrages wird sie jedoch für alle Staaten, ausgenommen das Vereinigte Königreich und Polen, für bindend erklärt.(…) Die Charta enthält die auf Ebene der Union geltenden bzw. unionalen Grundrechte, die bisher nur durch einen allgemeinen Verweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention und auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Vertrag genannt wurden (Artikel 6 Absatz 3 des EU-Vertrags). Mit ihrer “Sichtbarmachung” in der Charta sollen die Grundrechte für den Einzelnen transparenter werden. Zugleich sollen Identität und Legitimität der Europäischen Union – als Wertegemeinschaft – gestärkt werden.

In sechs Titeln (Würde des Menschen, Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Bürgerrechte und justizielle Rechte) fasst die Charta die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte und die wirtschaftlichen und sozialen Rechte in einem Dokument zusammen. Sie zeigt damit eindrücklich die Unteilbarkeit der Grundrechte. Zudem enthält die Charta einige wesentliche Grundsätze, an die sich vor allem der europäische Gesetzgeber zu halten hat.“1 So werden z.B. „würdige Arbeitsbedingungen“ garantiert und jede Art der Diskriminierung verboten.

Einige der in der Charta garantierten Rechte gelten absolut und ohne jegliche Einschränkung, so die Menschenwürde (Art. 1), das Folterverbot (Art. 4) oder das Sklavereiverbot (Art. 5). In diese Rechte dürfen Union und Mitgliedstaaten nicht eingreifen, und jede Relativierung – etwa beim Folterverbot – verbietet sich. Ich werde im Verlaufe dieses Exkurses noch detaillierter darauf eingehen.2

1.1.  Art. 6 EMRK: Recht auf ein faires Verfahren

„(1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden. (…)“3

 

1.1.1. „Faires Verfahren“ versus Sanktionspraxis im Rechtskreis des SGB II

 

Die Sanktionspraxis ist in den §§ 31 und 32 des SGB II durch den Gesetzgeber legitimiert, sie verstößt u.E. gegen das Gebot eines fairen Verfahrens, das im Art. 6 EMRK völkerrechtlich verbindlich und absolut geregelt ist.

 

Die Sanktionen im SGB II sind juristisch als sog. Verwaltungsstrafe zu werten. Diese Strafen werden von Verwaltungsangestellten einer Behörde (hier Jobcenter) verhängt, auch mögliche Widersprüche dagegen werden von den gleichen Behörden beschieden. Diese Behörden erfüllen in keinster Weise die Voraussetzungen für das gebotene Recht auf ein faires Verfahren, sie können die Anfordernisse einer anerkannten Judikatur nicht erfüllen, ihnen fehlt jegliche Tribunalqualität. Dazu müssten die Jobcentermitarbeiter, die Strafen verhängen und das Rechtsmittel Widerspruch bearbeiten, die Befähigung zum Richteramt haben und unabhängig von jeder Weisung sein. Diese zwingenden Voraussetzungen werden aber im Rechtskreis des SGB II nicht einmal im Ansatz erfüllt, von einem fairen Verfahren kann also nicht die Rede sein. Bis hierin ist ein klarer Verstoß gegen den Art. 6 EMRK zu konstatieren.

1.1.1.2.   Einschränkung der Prozesskostenhilfe untergräbt das Recht auf ein faires Verfahren

Erst mit Beschreiten des Klageweges vor einem ordentlichen Gericht, wird die o.g. Tribunalqualität erfüllt. Dazu bedarf es aber der Möglichkeiten des potentiellen Klägers, diesen Weg zu bestreiten. Mit der geplanten Einschränkung des Prozesskostenhilfe insbesondere für wirtschaftlich geschwächte Hartz IV- Empfänger wird der Klageweg vor einem ordentlichen Gericht eindeutig verbaut. Es entspricht dem politischen Willen der Bundesregierung, den präkarisierten Massen jegliche Judikatur zu verweigern. Ein klarer Verstoß gegen anerkanntes Völkerrecht, ein ungeheurer Akt der Willkür, der eindeutig strafbewehrt ist und bestraft werden muss. Die Festlegung von Sanktionsquoten belegt den politischen Vorsatz und sollte sich deutlich strafverschärfend auswirken!

© Norbert Wiersbin (2013)

Quelle:www.norbertwiersbin.de

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Charta_der_Grundrechte_der_Europ%C3%A4ischen_Union

2 Dieser Exkurs wird in mehreren Teilen veröffentlicht, um trotz angesichts seines Umfanges die Aufmerksamkeit der Leserschaft nicht überzustrapazieren. Auf diesem Wege wird aber auch die Möglichkeit eröffnet, einzelne Kapitel fortlaufend im Selbststudium zu vertiefen.

http://dejure.org/gesetze/MRK/6.html