Serie - Teil 3: Hartz IV verstößt gegen internationales und nationales Recht

Veröffentlicht in Allgemeines

3. Hartz IV verletzt das Diskriminierungsverbot

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) enthält in Art. 14 ein Diskriminierungsverbot. Danach ist es verboten, Menschen wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status die Rechte und Freiheiten der Konvention vorzuenthalten oder einzuschränken.

Mit dem Amsterdamer Vertrag1 wurde der Art. 13 EGV (jetzt: Art. 19 AEUV 2) ergänzt, der den gemeinsamen Willen ausdrückt, Diskriminierung aufgrund anderer Faktoren (Geschlecht, Rasse, ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Ausrichtung) zu bekämpfen, also nicht nur Rahmenbedingungen zu schaffen, sondern aktiv dagegen vorzugehen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass sich der Schutz der Richtlinie 2000/78 vor Diskriminierung und Belästigung wegen einer Behinderung nicht nur auf Menschen beschränkt, die selbst eine Behinderung haben.

3.1. Europarechtliche Vorgaben

Die Europäische Menschenrechtskonvention enthält in Art. 14 ein Diskriminierungsverbot. Danach ist es verboten, Menschen wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status die Rechte und Freiheiten der Konvention vorzuenthalten oder einzuschränken.

Um den Schutz vor Diskriminierungen effektiv zu gestalten, gebieten die Richtlinien, bei Verstößen wirksame Sanktionen vorzusehen. Auch soll ein effektiver Rechtsschutz gegen Diskriminierungen vorgesehen werden, der etwa Beweiserleichterungen für denjenigen erfordern kann, der sich in verbotener Weise diskriminiert sieht.4

3.2. EU-Grundrechtecharta

In der Grundrechtecharta 5 gibt es neben dem allgemeinen Gleichheitsgebot des Artikel 20, der die Gleichheit vor dem Gesetz garantiert, spezifische Diskriminierungsverbote in Artikel 21 und 23. Artikel 21 enthält ein umfassendes Verbot der Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. Art. 23 verbürgt die Gleichheit von Männern und Frauen und begründet zugleich ein Förderungsrecht für das jeweils „unterrepräsentierte Geschlecht“.

3.3. Ausweitung des Antidiskriminierungsgebots

Die EU-Kommission hat sich entschlossen, Diskriminierung über den Arbeitsmarkt hinaus auch im Bereich der Zurverfügungstellung von Gütern und Dienstleistungen auszuweiten

Im Juli 2008 unterbreitete die Europäische Kommission einen Entwurf für eine “Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung” vor, der basierend auf den Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2004/113/EG – insbesondere als Ergänzung der diesbezüglichen Rechtsvorschriften im Bereich Beschäftigung − einen Schutz vor Diskriminierung in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Bildung, Sozialversicherung und Wohnungswesen bieten soll. Er würde den Diskriminierungsschutz für die darin angeführten Gründe jenem Niveau angleichen, das mit der Antirassismus-Richtlinie 43/2000 für das Merkmal ethnische Herkunft festgelegt wurde.

3.4. Diskriminierungsverbot der Bundesrepublik Deutschland

Das Diskriminierungsverbot beschreibt das in Deutschland mehrfach gesetzlich geregelte Verbot, gegenüber anderen Personen oder Einrichtungen ein diese benachteiligendes Verhalten auszuüben, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Im bundesdeutschen Recht werden (soziale) Diskriminierung, Ungleichbehandlung und Differenzierung zum Teil synonym gebraucht

Im Kern wird dieses Gebot aus Art. 3 des Grundgesetzes abgeleitet und gilt für Staatshandeln. Ausgehend davon ist zwar jede staatliche Diskriminierung verboten, sofern Abwehrrechte betroffen sind, nicht aber jede private. Das Bundesarbeitsgericht hatte in seiner Rechtsprechung schon seit jeher die Grundrechtsnormen im Verhältnis Arbeitgeber-Arbeitnehmer unmittelbar angewandt.

Im Verlauf der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Diskriminierungsverbot einfachgesetzlich auf Grund des Rufens der Frauenbewegung und der EU-Verträge immer mehr auf das Verhältnis zwischen Privaten ausgeweitet und in verschiedenen Rechtsgebieten konkretisiert. Jüngstes Beispiel dafür ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), nach dem ein Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer bei jeglichen Entscheidungen (Kündigungen, Weisungen, beruflicher Aufstieg) nicht auf Grund ihres Geschlechts benachteiligen darf. Das AGG wurde als Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben eingeführt. Es soll ungerechtfertigte Benachteiligungen aus Gründen der „Rasse“, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, Weltanschauung, von Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen.

3.5.  Hartz IV ist die Anleitung zur systematischen Diskriminierung

Dagegen ließt sich die Praxis des Hartz-Systems wie eine Anleitung zur Diskriminierung. Die unmittelbar Betroffenen werden in vielfacher Weise ihrer verbrieften Rechte beraubt7, die nachfolgende stichwortartige Aufzählung der Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot kann ob des Ausmaßes des etablierten Rechtsbruchs nicht einmal den Anspruch auf Vollständigkeit erheben 8:

  • Menschliche Würde wird ihnen nicht zugestanden, trotz des hehren Versprechens des Grundgesetzes, dessen grundlegendes und unveräußerliches Axiom auf dem Papier doch immer noch lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar!
  • Sie werden vom grundgesetzlich und mit Ewigkeitsgarantie versehenem Prinzip der Sozialstaatlichkeit ausgeschlossen.
  • Der besondere Schutz von Ehe und Familie wird ihnen vorenthalten, mit ständig drohenden Sanktionen dräut ihnen sogar die Sippenhaft.
  • Das Recht auf Leben und auf körperliche wie seelische Unversehrtheit wird ihnen abgestritten.
  • Ihnen wird das Recht auf freie Berufswahl und damit auch das Recht auf eine freie Lebensgestaltung genommen.
  • Ihnen wird das Recht auf die freie Wahl des Wohnortes und des Lebensmittelpunkt genommen.
  • Mit der sog. Präsenzpflicht wird ihre Bewegungsfreiheit auf ein Minimum beschränkt.
  • Sie werden des Rechts auf Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben beraubt.
  • Das Bankgeheimnis wird ihnen vorenthalten.
  • In der Summe werden die Vermaledeiten nicht nur aus der Mitte der Gesellschaft ausgegrenzt und stigmatisiert, ihnen wird auch jede Lebensperspektive genommen.

Dabei werden doch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in dem Abschnitt „Der Bund und die Länder“ die wichtigsten Staatsprinzipien benannt: Demokratie, Sozialstaat und die Gesetzmäßigkeit der Staatsorgane sowie der Rechtsstaat. Nie zu vergessen: Die in Artikel 1 (Menschenwürde) und Artikel 20 festgelegten Grundsätze, also der Kern staatlicher Grundordnung und der Grundrechte, dürfen in ihrem Wesensgehalt durch die verfassungsändernde Gewalt nicht geändert werden (Art. 79 Abs. 3; sog. Ewigkeitsklausel)!

Noch immer ist das Papier geduldig – wie lange will das Volk noch ruhig bleiben!?

© Norbert Wiersbin (2013)

In Kürze folgt Teil 4 der Serie “Hartz IV verstößt gegen internationales und nationales Recht”

 

2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union; siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/AEUV

7 Ich habe bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass dem Grunde nach alles Bürgerinnen und Bürger von dem Hartz-System betroffen sind. Vgl. hierzu auch: http://norbertwiersbin.de/was-gesagt-werden-muss-interview-mit-stern-tv/

8 Wer oder was sollte meine verehrte Leserschaft davon abhalten, diese Aufzählung solange fortzusetzen, bis das gesammelte Unrecht bis zum letzten Jota dokumentiert wird !?