Wohin mit meiner Wut?

Geschrieben von Michaela Hofmann. Veröffentlicht in Allgemeines

Das achte Treffen der Menschen mit Armutserfahrung fand diesmal in Darmstadt statt und griff die Problematiken und Erfahrungen mit dem SGB II (Hartz IV) unter dem Titel: „SGB II und soziale Gerechtigkeit – passt das zusammen?“ auf.

Wohin mit meiner Wut oder und was machen wir mit unserer Wut, war bzw. fasst sehr gut den emotionalen Zustand der Anwesenden zusammen und ist letztlich das Resümee dazu, dass das SGB II und soziale Gerechtigkeit nichts gemeinsam haben.

Die Aussage „…und was mache ich mit meiner Wut“ ist die Zusammenfassung, der Schlüsselsatz einer Arbeitsgruppe, die sich intensiv mit dem Umgang und der Kommunikation im Jobcenter befasste und von allen Teilnehmenden sofort nachvollzogen werden konnte.

Sehr deutlich kommt hier zum Ausdruck, dass das SGB II in der Umsetzung nicht fördernd und Menschen respektierend wirkt, sondern fordernd und rechtfertigend.

Dies führt letztlich dazu, dass Menschen, obwohl als Leistungsberechtigte bezeichnet, sich eher als Bittsteller und dem System hilflos und ohnmächtig gegenüber fühlen.

Anteil haben hieran insbesondere die unverständlichen Antragsunterlagen, die nicht lesbaren Bescheide, die Nichterreichbarkeit der zuständigen Mitarbeitender, aber auch die Androhungen von Sanktionen und nicht zu vergessen, die immer währenden Vorurteile (sozial schwach, Schmarotzer, arbeiten schwarz, ruhen sich auf unsere Kosten aus usw.) erwerbslosen Menschen gegenüber, die stereotyp in den Medien, in Politik und am Stammtisch wiederholt werden.

Das eigentliche Ziel des SGB II, Menschen, die erwerbslos sind, die Unterstützung zu geben, damit diese unabhängig von Transferleistungen leben können, gerät nach Meinung der Teilnehmenden immer mehr aus dem Blick. Als Leistungsberechtigte/r oder als Kunde/Kundin fühlt sich keine/keiner.

Wohin aber nun mit der Wut? Wie kann der Ohnmacht und Hilflosigkeit einem System, welches gesetzlich verankert ist, begegnet werden?

Viele Anregungen und Forderungen, die auch in der Erklärung nachzulesen sind (www.nationalearmutskonferenz.de), wurden im weiteren Verlauf der Veranstaltung sowohl in den Arbeitsgruppen als auch in der Diskussion mit der Sozialdezernentin der Stadt Darmstadt, Frau Barbara Akdeniz und Herrn Heun vom Jobcenter Darmstadt erörtert und aufgestellt.

Einig waren sich alle, dass die meisten Probleme durch die unbestimmten Rechtsbegriffe bei den Kosten der Unterkunft, durch die Sanktionspraxis, die nicht bedarfsgerechten Regelsätze und die Arbeitsbedingungen im Jobcenter zustande kommen.

Hilfreich, auch um Wut und Ohnmacht adäquat ausdrücken zu können, würde sein:

  • Aussetzung der Sanktionen
  • die Einrichtung eines Widerspruchsausschuss, dem selbstverständlich auch Betroffene angehören und der im Gesetz verankert sein muss
  • Einrichtung eines professionellen Beschwerdemanagements – Umwandlung der ehrenamtlich tätigen Ombudsstelle in eine unabhängig agierende, bezahlte und mit Kompetenzen ausgestattete Ombudsstelle
  • Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden der Jobcenter
  • Anhebung der Regelsätze

Diese Liste ist nicht abschließend, würde bei Umsetzung jedoch dazu beitragen, dass Wut und Ohnmacht  kleiner und gegenseitiger Respekt und individuelle Förderung größer würde und die Umsetzung eines menschenwürdigen Existenzminimums, welches Leben in der Gesellschaft und Teilhabe in ihr ermöglicht, näher rücken ließe.

Sich hierfür weiterhin trotz aller Wut und Ohnmacht einzusetzen, lohnt sich –

dies ist mein Resümee des Treffens.