Herausforderungen der Wohnungslosenhilfe in Berlin

Veröffentlicht in Obdachlos

Im Ergebnis eines Fachgesprächs zum Thema Wohnungslosenhilfe  am 31.10.2012 hat sich ein großen politischen Handlungsbedarf aufgezeigt. Das stellte die Grünen Fraktion Berlin Ende  letzten Jahres fest. Als eines der größten Defizite wurde der Mangel an validen Daten und damit die Unmöglichkeit einer bedarfsgerechten Ausgestaltung einzelner Angebotstypen der Wohnungslosenhilfe angeführt. Dies wurde zum Anlass genommen, als ersten Schritt den Antrag "Einführung einer Wohnungslosenstatistik für das Land Berlin" in die letzte Plenarsitzung dieses Jahres am 13.12.2012 einzubringen. Vor dem Hintergrund, dass die Sensibilität in der Vorweihnachtszeit und bei den derzeitigen Wetterverhältnissen erhöht ist, hofft man,, dass das Thema die ihm gebührende Aufmerksamkeit erfährt und entsprechenden Handlungsdruck erzeugt.

Die dringlichsten Hauptprobleme und Handlungsfelder haben wir wie folgt zusammengefasst:

Die Wohnungsversorgung für wohnungslose Menschen ist zusammen gebrochen:

  1. Die Wohnungswirtschaft vermietet immer weniger Wohnungen an die Träger der Wohnungslosenhilfe wie auch Therapieträger für betreutes Übergangswohnen. Die Träger verfügen somit nicht mehr über ausreichend Wohnungen für die notwendige Verselbständigung - die Betreuungs- und Therapiekette bricht an einer wichtigen Stelle ab.

  2. Betroffen sind auch spezielle Versorgungsbereiche wie Sucht, Psychiatrie, Aidshilfe und die Gruppe der wohnungslosen Frauen.

  3. Es gelingen auch keine relevanten Wohnungsvermietungen mehr im Anschluss an das betreute Übergangswohnen. Damit sind die Übergangseinrichtungen für Neuaufnahmen blockiert. BewohnerInnen betreuter Übergangseinrichtungen müssen im Zweifelsfall wieder zurück in Heime und Pensionen geschickt werden. Der Eingliederungsprozess war somit umsonst.

  4. Das Wohnungsvermittlungskonzept „Geschütztes Marktsegment“ des Senats wird zunehmend ineffektiv, gerade für Alleinstehende gibt es keine Wohnungen, nur noch wenige Neuvermietungen.

Obdachloseneinrichtungen (Heime und Pensionen) sind überfüllt:

  1. Wohnungslose werden z.Zt. in ca. 130-140 vertraglich gebundene freigemeinnützige und gewerbliche Unterkünfte durch die Leitstelle des Senats vermittelt. Darüber hinaus mieten die Sozialen Wohnhilfen der Bezirke Plätze in weiteren Heimen an.

  2. In diese Unterkünfte gibt es kaum noch Vermittlungsmöglichkeiten. Bezirke vermitteln schon in Hostels, versehen Wohnungslose mit Kostenübernahmen für Hotels oder mieten Ferienwohnungen an.

  3. Das Wohnen in den Notunterkünften wird zum Dauerwohnen und somit immer teurer für das Land Berlin und perspektivloser für die BewohnerInnen.

  4. Notwendige Unterbringungen in Einzelzimmern für die vielen wohnungslosen Menschen mit psychischen Auffälligkeiten sind nur noch in Einzelfällen möglich.

Senat muss bei der Überarbeitung der Leitlinien zur Wohnungslosenhilfe

  1. umgehend das Unterbringungskonzept überdenken,

  2. mit der Wohnungswirtschaft weitere Wohnungen verhandeln,

  3. notfalls weitere Verträge mit Heimbetreibern abschließen und dafür temporär Grundstücke und leerstehende Gebäude bereitstellen.

  4. Träger finanziell bei der Instandhaltung des angemieteten Wohnraums unterstützen

Besonderes Augenmerk muss auf die stärkere Verzahnung der Angebotsstrukturen (insbesondere zwischen Sozial- und Gesundheitswesen, und hier insbesondere: medizinische Versorgung, psychologische Beratung, Psychiatrie, AIDS-Hilfe, Suchthilfe etc.) gelegt werden, um Drehtüreffekten zwischen verschiedenen Hilfesystemen und damit auch unnötige Kosten zu vermeiden. Von verbesserten und bedarfsgerechten Versorgungsangeboten sowie dem effizienteren Einsatz der vorhandenen Mittel profitieren Kostenträger ebenso wie die Zielgruppe.

Ein besonders aufzurufendes Thema ist die Schnittstellenproblematik zwischen den Jobcentern/Arbeitsagenturen und den bezirklichen Verwaltungen in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Jugend. Auch hier herrscht teilweise ein hoher Koordinierungsbedarf.

Ein Thema, das wir in den nächsten Monaten verstärkt behandeln werden , ist die Wohnaufwendungenverordnung (WAV). Sie soll die angemessene Höhe der Kosten der Unterkunft bestimmen und führt zu vielfältigen Problemen. Die Berechnung der angemessenen Höhe sehen wir kritisch; die Werte sind zudem unrealistisch niedrig angesetzt. Aufforderungen zur Kostensenkung durch Umzüge bei gleichzeitigem Mangel an günstigem Wohnraum führen zu weiteren Wohnungsnotfällen, die es zu vermeiden gilt.

Insbesondere haben aber auch Träger der Wohnungslosenhilfe Probleme entsprechenden Wohnraum zu akzeptablen Kosten anzumieten. Der Wegfall von Investitions- und Instandhaltungspauschalen macht ein wirtschaftliches Betreiben sogenannter Trägerwohnungen nahezu unmöglich. Wir werden die ersten Erfahrungen mit der WAV Anfang des Jahres im Ausschuss Gesundheit und Soziales auswerten. Darüber hinaus möchten wir darauf hinweisen, dass die Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheit und Soziales von Bündnis 90/Die Grünen Berlin voraussichtlich im Februar oder März ebenfalls eine Sitzung hierzu abhalten wird.

Über weitere Schritte halten wir Sie und euch auf dem Laufenden. Aber auch wir freuen uns über Infos von Ihnen und euch, die wir gerne in unsere politische Arbeit einbringen möchten.

 

Quelle

i.A. Judith Rennkamp
Referentin für Gesundheit, Soziales und Sport
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
im Abgeordnetenhaus von Berlin
Niederkirchnerstr. 5; 10111 Berlin