6. Treffen der Menschen mit Armutserfahrung – 14./15. September in Berlin
Im 19. Jahr des Bestehens der Nationalen Armutskonferenz konnte ein sehr starkes Interesse an den Belangen der Menschen, die in prekären Verhältnissen leben müssen, festgestellt werden. Nicht alle Teilnahmewünsche am Treffen in Berlin konnten erfüllt werden. Es zeigt sich, dass trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs das besonders im Jahr 2010, dem Europäischen Jahr des Kampfes gegen Armut und Ausgrenzung, angestrebte Ziel der Armutsbekämpfung in der Bundesrepublik Deutschland nicht erreicht wurde. Das gestiegene Interesse an derartigen Veranstaltungen belegt das in eindrucksvoller Weise. Die hochgepriesene viel diskutierte Erhöhung des Satzes des Alg2 um fünf Euro, das Paket für die Teilhabe am kulturell-sozialen Leben für Kinder, die unsinnige Berechnung des Warmwasserverbrauches für Kinder, die verstärkte Kürzung der Regelsätze bei vermeintlichen Verstößen gegen die völlig einseitig aufgebaute Wiedereingliederungsvereinbarung und der erst am Freitag vorgelegte Entwurf des „Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ zeigen die Unfähigkeit der Politik die Probleme der Armutsbekämpfung zu bewältigen. Unter dem Druck der Finanzmärkte versucht die Regierung durch die Wahl der Zielvorgaben, insbesondere bei der Umsetzung der Plattform-2020-Initiative der Europäischen Union, Erfolge darzustellen. Die Realität im Leben der Menschen sieht anders aus.
In verschiedenen Workshops wurden Vorschläge für die weitere gemeinsame Arbeit erarbeitet.
Arbeitsgruppen:
- 1. Strategie 2020 und die Möglichkeiten der politischen Arbeit
- Verhinderung von Übertragung von Armut von einer Generation auf die andere
- Beseitigung der Kinderarmut
- Mehr Beschäftigung als Ausweg aus der Armut durch eine aktive Eingliederungsstrategie
- Soziale und wirtschaftliche Eingliederung von Minderheitengruppen
- 2. Das Neue im SGB II Erfahrungsaustausch
- Was soll die nak zukünftig thematisieren?
- Früher auf die Pauke hauen , d. h. aufzeigen, wie Sand in die Augen gestreut wird und immer wieder Alternativen aufzeigen
- Neue „Freundlichkeiten“ auch erreichbar machen (z. B. das Einklagen).
- Abschaffung §§ 31, 32 SGB II
- Widersprüche gegen Bescheide sollen aufschiebende Wirkung entfalten
- Bürgerarbeit als normale Erwerbsarbeit deklarieren
3. Wege aus der Armut - Wie gehe ich mit meiner Armut im Alltag um? Austausch über individuelle Strategien
Ergebnisse der Arbeitsgruppe III „Wege aus der Armut – wie gehe ich mit meiner Armut im Alltag um?“
Sammlung der Themen, die aus der Gruppe kamen:
Umgang mit Arbeitslosigkeit / Jobcenter
- Hilfsangebote nutzen
- Wie können Betroffene mobilisiert werden, gemeinsam für Ihre Interessen / Perspektiven einzutreten, zu demonstrieren etc.
- Persönliche Aspekte: Selbstbewusstsein stärken
- Kreativität nutzen
- Wege aus der persönlichen Hilflosigkeit finden
Da die meisten Meldungen aus der Gruppe zum Thema „Mobilisierung, Perspektiven“ kamen, wurde dieses Thema mit erster Priorität in der Arbeitsgruppe aufgenommen und diskutiert. Die Ergebnisse aus der Diskussion zeigten, dass für den Weg zur Mobilisierung der Betroffenen verschiedene Voraussetzungen notwendig sind, um dann Schritt für Schritt zu einer Mobilisierung der Betroffenen zu führen bzw. parallel zu einem Bewusstseinsprozess mit dem Slogan „Wir sind die Reform!“
Die einzelnen Schritte zur Mobilisierung der Betroffenen könnten sein:
- persönliche Ressourcen stärken
- Selbstbewusstsein stärken
- Überwinden von Scham und Existenzangst
- vorhandene Hilfeangebote nutzen
- Zusammenschlüsse vor Ort organisieren in Foren, Initiativen mit Kampagnen
- vorhandene Internetplatformen nutzen oder neue aufbauen
- politische Rechte nutzen, z.B. zu Wahlen gehen
- Bildungsangebote zur Aufklärung und Kompetenzstärkung nutzen
- sich mit anderen Betroffenen solidarisieren
- konkrete Aktionen durchführen, z.B. während der jährlichen Treffen der Menschen mit Armutserfahrung der nationalen Armutskonferenz konkrete Aktionen durchführen.
Konkrete Anregungen für das jährliche Treffen der Nationalen Armutskonferenz
- Aktion zeitlich während des jährlichen Treffens der Menschen mit Armutserfahrung der Nationalen Armutskonferenz einplanen; hierzu eventuell einen Aktionsausschuss installieren, der diese Aktion oder eine Kampagne, eine Demo organisiert
- Bildungs- und Aufklärungsbeiträge verstärkt in die Tagung integrieren
- Während der Tagung ein gemeinsames Event z.B. ein gemeinsames Essen, eine gemeinsame Kulturveranstaltung zum Abschluss des ersten Tages organisieren.
4. Öffentlichkeitsarbeit zum Treffen von Menschen mit Armutserfahrung
- Realistische und konkrete Formen von Öffentlichkeitsarbeit gemeinsam mit den TN zu erarbeiten
- Die TN in die Lage zu versetzen, eigenständig einen Workshop durchzuführen, zu organisieren und zu dokumentieren.
Das geht nach unserer Erfahrung und Einschätzung am besten durch „Raum für alle“, also Stärkung der individuellen Autonomie. Wir orientieren uns dabei am Open Space Konzept spezifiziert auf Kleingruppenarbeit, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Open_Space
Aus diesen Erfahrungen und dem vielfach geäußerten Wunsch nach „Austausch“ eine Anregung für zukünftige Treffen und Veranstaltungen:
- Workshops so weit wie möglich vorziehen, damit die TN durch die Erfahrung von Eigenbeteiligung motiviert und engagiert eigeninitiativ weiter mitarbeiten.
- Reine Informationsteile (Politik, Fachreferenten) so weit wie nach hinten legen, so dass die wirklich Interessierten davon nachhaltig profitieren können.
Das wichtigste Ergebnis unseres Workshops war die eigenständige Entscheidung der TN, keine PM zu verfassen, sondern den direkten Weg der konkreten Öffentlichkeitsarbeit über www.armutsnetzwerk.de zu nehmen.