Sozialpolitik

Die bundesweit erste Kulturloge Marburg feiert Geburtstag.

Geschrieben von Hilde Rektorschek. Veröffentlicht in Pressemitteilungen

KulturlogeKulturloge, ein Name der vor dem Jahr 2009 nicht existierte. 
Astrid Wetzel ist die Namenspatronin für den seinerzeit noch zu gründenden Verein, der kulturelle Eintrittskarten an Menschen mit geringem Einkommen vermitteln wollte.
Die sympathische Art der Kulturvermittlung inspirierte sie und so erfand sie vor vier Jahren den Namen "Kulturloge". Zusammen mit Thomas Batinic erstellte sie das inhaltlich passende Logo. Der Name mit dem Logo symbolisiert die Gemeinschaft und Teilhabe an kulturellen Veranstaltungen.
Seit Gründung der Kulturloge Marburg am 09.02.2010 werden die Plätze, die in Theater, Kino, Konzerte und Lesungen frei bleiben, an Menschen mit wenig Geld vermittelt.
Ein Glücksfall für die 1.300 Menschen mit geringem Einkommen, die sich als Kulturgäste angemeldet haben und in regelmäßigen Abständen (alle 5-6 Wochen) zu kulturellen Veranstaltungen von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen eingeladen werden.
50 Veranstalter und 25 Sozialinstitutionen unterstützen die Kulturloge Marburg, so dass mittlerweile über 6.000 Eintrittskarten an die Kulturgäste vermittelt wurden. Die Gäste aus Marburg und der Region konnten die kulturellen Veranstaltungen genießen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. 
"Behutsam, würdevoll und nachhaltig" sind die Grundsätze der Kulturloge. Sie stellen die Kulturgäste mit ihren Wünschen und Vorlieben in den Mittelpunkt, so dass die Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben möglich ist.
Den Schwerpunkt der Arbeit auf Kinder und Jugendliche zu setzen, hat die Kulturloge Marburg von Beginn an praktiziert, so dass die Familien mit den Kindern gemeinsam ausgehen können. Besonders auch Kinder und Jugendliche mit alleinerziehenden Elternteilen und Familien mit mehreren Kindern profitieren von der Kulturloge. Zielsetzung der Kulturloge war und ist es, den Kindern der Kulturgäste, die Möglichkeit zu geben, an Theaterpatenprojekten teilzunehmen, Kurse und Workshops zu besuchen, und sie in die Kulturlandschaft einzubinden.
Kulturgäste sind seit Gründung der Kulturloge selbstverständlich auch Menschen mit geistiger oder körperlicher Einschränkung. In sehr enger Zusammenarbeit mit den Wohngruppen und Sozialpartnern werden die Begleitpersonen, die Transporte und das Drumherum organisiert.
Das große Engagement der Kulturloge zeigt sich in der Sorgfalt und Herzlichkeit, mit der die Ehrenamtlichen auch auf kleine Details achten, um den Veranstaltungsbesuch zu einem gelungenen Erlebnis zu machen. 
Da dieses Konzept der Kulturloge einzigartig ist und neue Wege des Miteinanders aufgezeigt wurden, wurde es auch mit hohen Auszeichnung versehen:
Die KULTURLOGE wurde ausgezeichnet vom Bündnis für Demokratie und Toleranz als bundesweit vorbildliches Projekt mit dem Preis „Aktiv für Demokratie und Toleranz 2010“.
Phineo-SiegelDie KULTURLOGE ist Preisträger des „Freiherr-vom-Stein-Preises 2011“. Die Laudatio hielt Gesine Schwan.
Aus 1.066 Projekten wurde die Kulturloge beim "Deutschen Engagementpreis 2011“ unter die 15 Besten gewählt 
Als eine von bundesweit 23 Organisationen erhielt die Kulturloge das „Phineo-Wirkt-Siegel“ im Themenfeld „Kinder in Armut“.Der Name „Kulturloge“ mit dem Logo und den Grundsätzen steht als Qualitätssiegel für ihre Leistung und hat sich in Deutschland als Begriff etabliert.
Der inzwischen gegründete Bundesverband Deutsche Kulturloge e.V. hat über 20 Mitgliedskulturlogen und es werden ständig mehr. Diese Kulturlogen haben das erfolgreiche Konzept, den Namen, das Logo und die Grundsätze übernommen und werden durch Schirmherrschaften der Oberbürgermeister und von Serviceclubs wie Lions oder Rotary unterstützt..
Bei Fragen zur Gründung einer Kulturloge wenden Sie sich ausschließlich an den Bundesverband Deutsche Kulturloge e.V. Bei Einhaltung der Grundsätze dürfen Sie den Namen Kulturloge führen und werden Mitglied im Bundesverband. Sie bekommen zusätzlich alle Druckvorlagen, das Gerüst der Homepage und die Datenbank. Die Datenbank zur Vermittlung der Karten ist einzigartig, gut zu bedienen und auf die Bedürfnisse der Kulturlogen eingestellt - und natürlich KOSTENLOS.  

www.kulturloge-marburg.de

www.kulturloge.de

Eine Million Unterschriften gegen private Wasserversorgung

Veröffentlicht in Allgemeines

Erstmals überhaupt hat ein EU-Volksbegehren die nötige Zahl von einer Million Unterschriften erreicht. Die gegen EU-Pläne zur Privatisierung des Wasserversorgung gerichtete Initiative "Wasser ist ein Menschenrecht - Right 2 Water" teilte auf ihrer Internetseite mit, ihr Anliegen habe bislang rund 1,02 Millionen Unterstützer gefunden.

Die gesammelten Unterschriften müssen nun geprüft werden. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, gratulierte der Initiative und sagte, dass eine Million Unterschriften in weniger als sechs Monaten gesammelt werden konnten, sei "ein echter Erfolg". Anschließend hat die Kommission drei Monate Zeit, die Initiative inhaltlich zu bewerten. Erst dann wird sie eine formelle Antwort zu ihrem weiteren Vorgehen geben. Ob es zu einem Vorschlag kommt, ist noch völlig offen.

Die Initiative fordert die EU-Kommission zur Vorlage eines Gesetzesvorschlags auf, der das Recht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung durchsetzt und eine funktionierende Wasser- und Abwasserwirtschaft als existenzsichernde öffentliche Dienstleistung fördert.

Kommunen wollen Wasserwerke behalten

Der Städtetag bekräftigte seine Warnung vor einer Privatisierung und höheren Wasserpreisen. Sein Präsident, der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, rief die EU-Kommission auf, die Wasserversorgung aus ihren Gesetzgebungsplänen auszuklammern. Qualitätseinbußen beim Trinkwasser könnten andernfalls nicht ausgeschlossen werden. Zudem sei mit steigenden Preisen zu rechnen, sagte der Oberbürgermeister.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nannte die Initiative einen "großen Erfolg". Auch die SPD sehe die Wasserversorgung am besten in öffentlicher Hand aufgehoben..

Die Unterschriftensammlung läuft noch bis zum 1. November. Neues Ziel von "Right 2 Water" sind zwei Millionen Unterschriften bis September.

Mehr zu der Initiative lesen Sie unter: http://www.right2water.eu/de/node/5

Kein Recht für Arme - Bundesregierung will Prozesskostenhilfe (PKH) kürzen

Veröffentlicht in Allgemeines

Die 1981 eingeführte Prozesskostenhilfe, mit der auch Geringverdienenden der Zugang zu Recht und Gericht ermöglicht werden sollte, wird nach dem Willen der Bundesregierung  künftig deutlich restriktiver gehandhabt, faktisch aber abgeschafft. Für die Länderjustizhaushalte soll damit eine Einsparung in Höhe von ca. 65 Millionen erreicht werden. Die Begründung für diese Änderung: Im Bereich der PKH sind drei Gruppen von Maßnahmen vorgesehen:

  1. Sicherstellung, dass die Gerichte die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (die Bedürftigkeit) umfassend aufklären, um auf diese Weise ungerechtfertigte Prozesskostenhilfebewilligungen zu vermeiden und der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe entgegenzuwirken.
  2. Stärkere Heranziehung der PKH-Empfänger durch die Absenkung von Freibeträgen, die Verlängerung der Ratenzahlungshöchstdauer um zwei Jahre und die Neuberechnung der PKH-Raten
  3. Die Änderung der Vorschriften zur Anwaltsbeiordnung in Scheidungssachen und im arbeitsgerichtlichen Verfahren sowie die neue Möglichkeit zur Teilaufhebung der PKH-Be- willigung sollen die Ausgaben der Länder für Prozesskostenhilfe reduzieren.

Bis zum 18.2.13 kann eine elektronische Petition mit gezeichnet werden, den oben beschriebenen Änderungen nicht zuzustimmen.

Hier unterzeichnen.

Rolf Keicher

Evangelische Obdachlosenhilfe in Deutschland e.V. (EvO)
Fachverband der Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband
Dienststelle Berlin
Caroline-Michaelis-Str.1
10115 Berlin 
Telefon +49 (0)30 65211 1652

04.02.2013 „Die Armutsbekämpfung ist ein Stiefkind der öffentlichen Förderung in Deutschland – die Bundesregierung verweigert Armen eine Stimme“

Geschrieben von nak. Veröffentlicht in Pressemitteilungen

nak-Sprecher Thomas Beyer fordert von der Bundesregierung verlässliche finanzielle Mittel gegen die Bedürftigkeit in Deutschland: Österreich fördert dortige Armutskonferenz mit 85.000 Euro, Deutschland mit 8900 Euro die hiesige

Die Statistik spricht eine deutliche Sprache: Die Armut im reichen Deutschland ist mit 14,5 Prozent hoch. Dem nicht genug, nehmen bestimmte Formen der Armut stetig zu: Die Zahl der bedürftigen älteren Menschen steigt ebenso wie die der von Armut bedrohten Erwerbslosen. Dennoch ist und bleibt das Thema ein Tabu in unserer Gesellschaft. In diesem Zusammenhang geht vom Staat eine fatale Signalwirkung aus: „Die Armutsbekämpfung ist ein Stiefkind der öffentlichen Förderung in Deutschland. Damit wird das drängende Problem in der allgemeinen Wahrnehmung marginalisiert“, erklärt Thomas Beyer, Sprecher der Nationalen Armutskonferenz (nak).

In der Tat: Eine Aufstellung im Europäischen Armutsnetzwerk (European Anti Poverty Network/EAPN), in dem die nak Mitglied ist, belegt, dass die finanzielle Unterstützung durch EU-Mittel sowie nationale und kommunale Ressourcen in den meisten Mitgliedsländern bescheiden ist. Im bevölkerungsreichen, wirtschaftsstarken Deutschland aber können die Zuwendungen aus diesem Bereich getrost beschämend genannt werden: Von den insgesamt 17.800 Euro, die die nak für das Jahr 2009 erhalten hat, stammen gerade mal 50 Prozent aus dem öffentlichen Haushalt. Zum Vergleich: Im kleineren Nachbarland Österreich stellte die öffentliche Hand der dortigen Armutskonferenz im Jahr 2009 exakt 82,5 Prozent der 104.000 Euro zur Verfügung. Im selben Jahr unterstützten öffentliche Stellen in Portugal mit 61 Prozent der 1.977.720 Euro ihr nationales Netzwerk.

„Würden sich nicht die Betroffeneninitiativen gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden bereits seit vielen Jahren dieser wachsenden Problematik annehmen, gebe es in Deutschland keine Armutsbekämpfung, die diesen Namen verdient“, resümiert Beyer. Ohne das größtenteils ehrenamtliche Engagement der Akteure aus diesem Bereich könnten für die Praxis und die Wissenschaft erkenntnisbringende Veranstaltungen wie das von der nak jährlich ausgerichtete Treffen der Menschen mit Armutserfahrung nicht ausgerichtet werden. Beyer: „Die Bundesregierung verweigert Armen eine Stimme.“

So lobenswert dieser Einsatz ist: „Die Politik darf sich nicht allein auf dieses Eigenengagement der Initiativen und Verbände verlassen und sich selbst aus der Verantwortung stehlen“, stellt Beyer klar und fordert: „Es ist höchste Zeit, für die Armutsbekämpfung in Deutschland angemessene finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen – sonst klingt die Bezeichnung als Sozialstaat hohl.“

Erfrieren in bester Gesellschaft

Veröffentlicht in Obdachlos

Ein Mann liegt mit erfrorenen Füßen mitten in der Stadt, es geht ihm schlecht. Niemand nimmt Notiz davon. Leserin Susanne Schmidt hat ihm geholfen.

Die Temperatur lag an jenem Abend bei minus 10 Grad Celsius. Ich komme von der Arbeit, das Regierungsviertel und einige Botschaften befinden sich in unmittelbarer Nähe. Hier in Berlin Mitte sind überall Überwachungskameras und Wachpersonal. Die Fenster der Cafés und Geschäfte leuchten warm und verlockend. Alle haben es eilig, durch die kalte Nacht zu kommen. Kurz vor der Kreuzung von Schumannstraße und Luisenstraße liegt ein Mensch zusammengekrümmt im Schnee – völlig unbeachtet.

"Junger Mann, das ist doch viel zu kalt, um hier im Schnee herumzuliegen", sage ich und reiche ihm die Hand. Nach einer Weile steht er mit wackeligen Beinen auf. Er bittet mich, ihm über die Straße bis zur nahen Bäckerei zu helfen. Ich erkenne, dass er schon lange obdachlos ist. Er hat getrunken, aber nicht allzu viel. Seine Kleidung ist viel zu dünn, er trägt keine Winterjacke und nur einfache Turnschuhe.

Wir versuchen ein paar Schritte, aber er kann nicht alleine stehen oder gehen. Ich bin nicht stark genug, um ihn zu halten. Jetzt liegt er mitten auf der Straße, ich hocke daneben. Autos fahren um uns herum, niemand hupt, keiner hält an. Zum Glück kommt uns eine Frau zur Hilfe. Wir nehmen ihn in unsere Mitte und schleppen ihn bis auf die Stufen zur Bäckerei. Was nun?

Ein Anruf beim Kältebus ist das erste, was uns einfällt. Aber der Kältebus fährt erst ab 21 Uhr durch die Stadt. Es gibt auch einen Wärmebus, doch der ist ebenfalls noch nicht erreichbar. Ich frage den Mann, ob er einverstanden ist, dass wir die Polizei rufen. "Jaja", jammert er, "mir ist so kalt, meine Füße brennen, das tut so weh, ich friere so." Er reibt sich die mageren, blauen Hände. Es ist nicht zu übersehen: Es geht ihm schlecht.

Die freundliche Passantin verabschiedet sich. Mein Blick wandert durch die Glasscheibe hinein in die warme Bäckerei. Die Menschen auf der anderen Seite der Fenster sehen uns nicht. Der Mann hat Schmerzen. Ich unterhalte mich mit ihm, um ihn abzulenken.

"Sind Sie aus Berlin? Wo haben Sie letzte Nacht geschlafen?", frage ich und er guckt mir zum ersten Mal direkt ins Gesicht, mit offenem Mund. Dann fragt er erstaunt zurück: "Willst du wissen, wo ich herkomme?" Ist diese Frage zu intim? Ich weiß es nicht, bin unsicher. Da antwortet er mir und wir lächeln uns kurz an.

Dann kommt die Polizei. Die beiden Beamten sind zu meiner Erleichterung sehr freundlich zu dem Obdachlosen. Sie rufen sofort einen Krankenwagen. Der Mann jammert wieder laut und schreit: "Meine Füße brennen, das tut so weh." Einer der Polizisten sagt: "Er hat sich die Füße erfroren." Ich bin erschrocken.

Dann verabschiede ich mich von ihm: "Jetzt kommen Sie ins Warme. Lassen Sie sich gesund pflegen. Ich wünsche Ihnen alles Gute." Der Polizist flüstert mir zu: "Das wird eher nichts mit dem Gesundpflegen, in Deutschland ist das nicht mehr so einfach." Ich bin entsetzt.

Quelle:Leserartikel aus Zeit online

Herausforderungen der Wohnungslosenhilfe in Berlin

Veröffentlicht in Obdachlos

Im Ergebnis eines Fachgesprächs zum Thema Wohnungslosenhilfe  am 31.10.2012 hat sich ein großen politischen Handlungsbedarf aufgezeigt. Das stellte die Grünen Fraktion Berlin Ende  letzten Jahres fest. Als eines der größten Defizite wurde der Mangel an validen Daten und damit die Unmöglichkeit einer bedarfsgerechten Ausgestaltung einzelner Angebotstypen der Wohnungslosenhilfe angeführt. Dies wurde zum Anlass genommen, als ersten Schritt den Antrag "Einführung einer Wohnungslosenstatistik für das Land Berlin" in die letzte Plenarsitzung dieses Jahres am 13.12.2012 einzubringen. Vor dem Hintergrund, dass die Sensibilität in der Vorweihnachtszeit und bei den derzeitigen Wetterverhältnissen erhöht ist, hofft man,, dass das Thema die ihm gebührende Aufmerksamkeit erfährt und entsprechenden Handlungsdruck erzeugt.

Die dringlichsten Hauptprobleme und Handlungsfelder haben wir wie folgt zusammengefasst:

Die Wohnungsversorgung für wohnungslose Menschen ist zusammen gebrochen:

  1. Die Wohnungswirtschaft vermietet immer weniger Wohnungen an die Träger der Wohnungslosenhilfe wie auch Therapieträger für betreutes Übergangswohnen. Die Träger verfügen somit nicht mehr über ausreichend Wohnungen für die notwendige Verselbständigung - die Betreuungs- und Therapiekette bricht an einer wichtigen Stelle ab.

  2. Betroffen sind auch spezielle Versorgungsbereiche wie Sucht, Psychiatrie, Aidshilfe und die Gruppe der wohnungslosen Frauen.

  3. Es gelingen auch keine relevanten Wohnungsvermietungen mehr im Anschluss an das betreute Übergangswohnen. Damit sind die Übergangseinrichtungen für Neuaufnahmen blockiert. BewohnerInnen betreuter Übergangseinrichtungen müssen im Zweifelsfall wieder zurück in Heime und Pensionen geschickt werden. Der Eingliederungsprozess war somit umsonst.

  4. Das Wohnungsvermittlungskonzept „Geschütztes Marktsegment“ des Senats wird zunehmend ineffektiv, gerade für Alleinstehende gibt es keine Wohnungen, nur noch wenige Neuvermietungen.

Obdachloseneinrichtungen (Heime und Pensionen) sind überfüllt:

  1. Wohnungslose werden z.Zt. in ca. 130-140 vertraglich gebundene freigemeinnützige und gewerbliche Unterkünfte durch die Leitstelle des Senats vermittelt. Darüber hinaus mieten die Sozialen Wohnhilfen der Bezirke Plätze in weiteren Heimen an.

  2. In diese Unterkünfte gibt es kaum noch Vermittlungsmöglichkeiten. Bezirke vermitteln schon in Hostels, versehen Wohnungslose mit Kostenübernahmen für Hotels oder mieten Ferienwohnungen an.

  3. Das Wohnen in den Notunterkünften wird zum Dauerwohnen und somit immer teurer für das Land Berlin und perspektivloser für die BewohnerInnen.

  4. Notwendige Unterbringungen in Einzelzimmern für die vielen wohnungslosen Menschen mit psychischen Auffälligkeiten sind nur noch in Einzelfällen möglich.

Senat muss bei der Überarbeitung der Leitlinien zur Wohnungslosenhilfe

  1. umgehend das Unterbringungskonzept überdenken,

  2. mit der Wohnungswirtschaft weitere Wohnungen verhandeln,

  3. notfalls weitere Verträge mit Heimbetreibern abschließen und dafür temporär Grundstücke und leerstehende Gebäude bereitstellen.

  4. Träger finanziell bei der Instandhaltung des angemieteten Wohnraums unterstützen

Besonderes Augenmerk muss auf die stärkere Verzahnung der Angebotsstrukturen (insbesondere zwischen Sozial- und Gesundheitswesen, und hier insbesondere: medizinische Versorgung, psychologische Beratung, Psychiatrie, AIDS-Hilfe, Suchthilfe etc.) gelegt werden, um Drehtüreffekten zwischen verschiedenen Hilfesystemen und damit auch unnötige Kosten zu vermeiden. Von verbesserten und bedarfsgerechten Versorgungsangeboten sowie dem effizienteren Einsatz der vorhandenen Mittel profitieren Kostenträger ebenso wie die Zielgruppe.

Ein besonders aufzurufendes Thema ist die Schnittstellenproblematik zwischen den Jobcentern/Arbeitsagenturen und den bezirklichen Verwaltungen in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Jugend. Auch hier herrscht teilweise ein hoher Koordinierungsbedarf.

Ein Thema, das wir in den nächsten Monaten verstärkt behandeln werden , ist die Wohnaufwendungenverordnung (WAV). Sie soll die angemessene Höhe der Kosten der Unterkunft bestimmen und führt zu vielfältigen Problemen. Die Berechnung der angemessenen Höhe sehen wir kritisch; die Werte sind zudem unrealistisch niedrig angesetzt. Aufforderungen zur Kostensenkung durch Umzüge bei gleichzeitigem Mangel an günstigem Wohnraum führen zu weiteren Wohnungsnotfällen, die es zu vermeiden gilt.

Insbesondere haben aber auch Träger der Wohnungslosenhilfe Probleme entsprechenden Wohnraum zu akzeptablen Kosten anzumieten. Der Wegfall von Investitions- und Instandhaltungspauschalen macht ein wirtschaftliches Betreiben sogenannter Trägerwohnungen nahezu unmöglich. Wir werden die ersten Erfahrungen mit der WAV Anfang des Jahres im Ausschuss Gesundheit und Soziales auswerten. Darüber hinaus möchten wir darauf hinweisen, dass die Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheit und Soziales von Bündnis 90/Die Grünen Berlin voraussichtlich im Februar oder März ebenfalls eine Sitzung hierzu abhalten wird.

Über weitere Schritte halten wir Sie und euch auf dem Laufenden. Aber auch wir freuen uns über Infos von Ihnen und euch, die wir gerne in unsere politische Arbeit einbringen möchten.

 

Quelle

i.A. Judith Rennkamp
Referentin für Gesundheit, Soziales und Sport
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
im Abgeordnetenhaus von Berlin
Niederkirchnerstr. 5; 10111 Berlin

Halbierung der Armut eine Illusion

Geschrieben von Oswald Sigg. Veröffentlicht in Allgemeines

Der Sozialbericht 2012 des Kantons Bern ist als Ganzes betrachtet eine beispielhaft gute Grundlage für dringende öffentliche Interventionen in armutsbetroffenen und -gefährdeten Bereichen unserer Gesellschaft.

Nur zwei Jahre nach dem Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung wird für den Kanton Bern eines deutlich: die Armut breitet sich weiter aus. Es gibt immer mehr Leute, die ihr Leben sozial und wirtschaftlich nicht mehr aus eigener Kraft meistern kön­nen.

Dazu einige Trends, die der Bericht aufführt:

► Die Erwerbseinkommen der ärmsten Haushalte sinken.

► Der Anteil armutsgefährdeter und armer Haushalte steigt.

► Die Armutsgefährdungsquote steigt.

► Die Armutsgefährdung von Personen zwischen 50 und 60 Altersjahren steigt.

► In 12 Prozent der Haushalte von Familien, alleinerziehenden oder älteren Personen gibt es keine Existenzsicherheit.

Der Sozialbericht 2012 erscheint neu als Bericht des Regierungsrates. Die Armut im Kan­ton Bern ist somit von der Ebene der Gesundheits- und Fürsorgedirektion zu einer kardi­nalen Frage des Regierungsrates angehoben worden. Ein deutliches Zeichen, dass die soziale Lage endlich ernst genommen wird, wenigstens von  der Regierung.

Sieben konkrete Massnahmen

Mit den folgenden Massnahmen soll die Armut im Kanton Bern in erster Linie bekämpft werden:

► Die polyvalent zusammengesetzte Kommission für Sozial- und Existenzsicherungspo­litik berät die Gemeinden, die Verwaltung und den Regie­rungsrat im Sinne einer Sensibili­sierung auf die soziale Frage, die heute weit über Sozialhilfe und Soziale Arbeit hinaus­reicht und die verschie-densten Politikbereiche  mit einbezieht.

► In Zukunft werden durch eine Sozialverträglichkeitsprüfung alle Gesetzeserlasse auf ihre Wirkung speziell auf sozial Benachteiligte hin überprüft, um Ausgrenzungen und Schi­ka­nen zu
vermeiden.

► Die erweiterte Analyse der wirtschaftlichen Situation der Bevölkerung durch zusätzli­che Befragungen von armutsbetroffenen oder –gefährdeten Personen wird die traditionelle Auswertung der Steuerdaten des Kantons ergänzen.

► Im Rahmen der familienergänzenden Kinderbetreuungsangebote werden die Tages­schul­angebote ausgebaut, auch während den Ferienwochen.

► Die Action éducative en milieu ouvert (AEMO) ist ein gezieltes und präventiv wirken­des Hilfsprogramm bei erzieherischen, persönlichen, familiären, schulischen oder berufsbezo­genen Fragen, das nun ausgeweitet werden soll.

► Armutsprävention und Chancengleichheit im Bildungswesen werden in der Harmoni­sie­rung von Sozialhilfe und Stipendien  besser aufeinander abgestimmt.

► Schliesslich sind für Jugendliche die Übergänge zwischen Schule und Ausbildung oder zwischen Ausbildung und Arbeitsmarkt mit einer Beratungskette verstärkt zu begleiten.

Mit diesem Programm beschreitet der Regierungsrat eine Gratwanderung zwischen dem allzu ambitiösen Ziel seiner Sozialpolitik, der teilweise wachsenden und virulenten Armut und Armutsgefährdung und der komplexen finanzpolitischen Situation, in welcher sich der Kanton Bern befindet.  Man darf aber den bernischen Behörden und insbesondere dem Gesundheits- und Fürsorgedirektor, Regierungsrat Philippe Perrenoud, zugutehalten, dass diese Sozialberichterstattung als Grundlage für eine sorgfältige und konsequente Inter­vention auf dem äusserst sensiblen und von den Medien vernachlässigten Gebiet der öf­fentlichen Sozialhilfe beispielhaft ist.

Halbierung der Armut unrealistisch

Der Sozialbericht 2012 gibt mir Anlass zu drei Bemerkungen.

Zum einen: Die Halbierung der Armut innerhalb von zehn Jahren – das ambitiöse Ziel wird heute kaum mehr erwähnt. Angesichts der mit dem neuesten Sozialbericht bestätigten und gegenläufigen Trends ist für das Jahr 2020 nicht nur kein Wunder, sondern eher ein Fi­asko zu erwarten.

Der Regierungsrat hat vielleicht noch ein, zwei Jahre Zeit, um die leichtgewichtige Zielsetzung zu korrigieren und sie als desillusionierte Planungsgrösse auf den Boden der Realität herunter zu holen. Denn als politisches Ziel war die simple Kopie eines nach der UNO-Milleniumseuphorie geborenen Werbetrailers gar nie ernst zu neh­men. Der Schaden von globalen Werbesprüchen wird indessen in der lokalen Politik und deren Glaubwürdigkeit angerichtet.   

Zum andern: Das revidierte Sozialhilfegesetz ist zwar erst gerade in Kraft gesetzt worden. Aber im Grossen Rat soll es mit einer Motion Studer (SVP) bereits wieder geändert wer­den. Die Sozialhilfekosten müssen jetzt unbedingt „optimiert“ werden. „Optimieren“ – das bedeutet in der Regel kürzen, sparen, reduzieren.

In der Begründung wird die St. Galler Professorin Monika Bütler so zitiert: ohne Kürzungen fördere die Sozialhilfe bei den Jun­gen ja nur einen Lebensstil, an den man sich gewöhnen könnte.Das darf man sich so vorstellen: der junge Arbeitslose und die junge Al­leinerzie­hende könnten sich mit­hilfe einer allzu üppigen Sozialhilfe ihres Lebens froh wer­den und fortan nur mehr zu Hause auf der faulen Haut liegen bleiben. Und allen Ernstes wird die Motion auch noch mit dem Umstand herbeigeschwatzt, es gebe Sozialhilfeemp­fängerIn­nen, die sogar über ein Privat­auto verfügten. Noch immer verteufelt die grösste Partei im Land alle jene, die ihre Rechte auf soziale Unterstützung geltend machen, als Profi­teure und faule Gesellen.

Tabu Nichtbezugsquote

Genau dieses abgründige Misstrauen den Sozialhilfe-EmpfängerInnen gegenüber führt mich schliesslich zu einer letzten kritischen Bemerkung zum Sozialbericht 2012 des berni­schen
Regierungsrates.

Obschon wir in einem ausgebauten Sozialstaat leben, gilt der rechtmässige Bezug sozia­ler Hilfe und Unterstützung zunehmend als Makel, ja sogar als Schande. Im Sozialbericht nimmt
man eine Unmenge an statistischen Zahlenreihen und Quoten über die öffentliche Sozialpolitik zur Kenntnis.

Allein über eine der wichtigsten Referenzgrössen zu deren Zu­stand  wird jedoch seit Jah­ren konsequent geschwiegen: es ist die sogenannte Nichtbe­zugsquote. Dies ist der Anteil an Sozialhilfe-Bezugsberechtig­ten, die sich trotz ihrer prekä­ren Lebenslage gar nicht erst vor den Schaltern der Sozial­ämter einfinden. Diese Quote liegt mittlerweilen bei 60%, wie man kürzlich einem Bericht von SRFonline entnehmen konnte, der dabei auf Zahlen des Bundesamtes für Statistik basierte.

Warum ausgerech­net eine Mehrheit von sich in einer Notlage befindenden Men­schen die Errungenschaften unserer Sozialpolitik ablehnt, scheint weder die Regierung noch das Parlament
sowohl im Kanton wie auch in der Eidgenossenschaft einen Deut zu kümmern. Es wäre an der Zeit, wenn der bernische Regierungsrat spätestens im nächsten Sozialbe­richt das Tabu bre­chen und sich zu diesem skandalösen Sachverhalt äussern würde.  

Siehe Sozialbericht:

http://www.gef.be.ch/gef/de/index/soziales/soziales/sozialbericht_2008.html

Zwei Stellungnahmen

Die Berner Konferenz für Sozialhilfe, Kindes- und Erwachsenenschutz (BKSE) zum Sozialbericht 2012:

Die Resultate der umfassenden Analyse sind nicht unerwartet, aber in ihrer Deutlich­keit erschreckend. Die Armuts- und die Armutsgefährdungsquoten sind in den letzten 10 Jah­ren ste-
tig gestiegen. Gleichzeitig sind die Einkommen der ärmsten Haushalte stark gesun­ken und auch Haushalte, welche über eine Rente der ersten Säule (AHV, IV, Waisenrente) verfügen,
benötigen vermehrt Ergänzungsleistungen. 12% der Haushalte im Kanton Bern können ihre Existenz nicht mehr aus eigenen Mitteln be­streiten und sind auf öffentliche Unterstützung an-
gewiesen. 

Die Sozialhilfequote ist tendenziell steigend und liegt im kantonalen Vergleich auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass der Kanton Bern relativ
wenige der Sozialhilfe vorgelagerte, bedarfsabhängige Sozial­leistungen kennt, wie z.B. Ergänzungsleistungen für Familien, Mietzinszuschüsse, Betreuungsgutscheine, Bil­dungs-
gutscheine usw.  Andererseits erreichen die Sozial­dienste dank ihrer Professionali­tät besser die Bedürftigen.

Alleinerziehende sind mit Abstand am häufigsten auf Sozialhilfe angewiesen. Dem gilt es mit gezieltem Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung und einer besseren Ver­ein-
barkeit von Beruf und Familie entgegen zu wirken. Aber auch Kin­der- und Jugendliche, Einzelpersonen und so genannte Working-Poor sowie Perso­nen ohne Berufsabschluss sind unter
den Sozialhilfebeziehenden stark vertreten.

Vehement wehrt sich die BKSE gegen Bestrebungen die Sozialhilfeleistungen im Kanton Bern zu kürzen. Rein statistisch gesehen könnte damit zwar die Sozialhil­fequote reduziert werden, hingegen blieben die relative Armut und die soziale Un­gleichheit bestehen. Die Unterstützungsrichtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, welche auch im Kanton Bern angewendet werden, haben sich gesamt­schweizerisch bewährt und garantie­ren auch Sozialhilfebeziehenden ein Minimum an Teilnahme am sozialen Leben.

(Auszüge aus der Medienmitteilung vom 11.12.2012)

AvenirSocial, Sektion Bern: „Unser soziales Netz hat neue und grosse Löcher“

Armut ist bedrohlich, sie ist gewachsen und kann (fast) jede/n treffen. Der Ausstieg ist al­leine nur schwer zu schaffen. Der Regie­rungsrat macht im Sozialbericht 2012 die Lücken der Existenzsicherung sicht­bar. Neue staatliche und privatwirtschaftliche Massnahmen sind notwendig und werden sich lohnen. Armut können wir nur gemeinsam überwinden.

Armut ist bedrohlich: für die betroffenen Menschen existenziell, für unsere Gesell­schaft eine zu oft verdrängte Realität mit sozialem Zündstoff. Sehr beunruhigend ist, dass die ärmsten Menschen in den letzten 10 Jahren fast 25% weniger Haushalts­einkommen zur Verfügung hatten. Armut führt zu sozia­ler Ausgrenzung, oft zu Krankheit, zu Demütigun­gen und in prekäre Arbeitsverhältnisse. Der Ausstieg aus länger dauernder Armut ist al­leine nur schwer zu schaffen.Armut kommt Betroffene und unsere ganze Gesellschaft teuer zu stehen.

Im Bericht zur Bekämpfung der Armut vermissen wir die soziale Verantwortung der Wirt­schaft. Arbeit­gebende entscheiden, ob existenzsichernde Löhne bezahlt werden oder nicht. Existenzsichernde Löhne könnten vielen Menschen ein Leben in Armut oder in Ab­hängigkeit ersparen. Existenzsi­chernde Löhne und Massnahmen zur Überwindung der Armut zahlen sich direkt volkswirtschaftlich aus.

Armut können wir nur gemeinsam überwinden. Wir empfehlen – gemeinsam mit KABBA, GMS Bern sowie dem SAH Bern - folgende sechs Auswege zur Überwin­dung der Armut im Kanton Bern:

1. Ergänzungsleistungen für Working-Poor-Familien

2. Mindestlöhne statt Sozialhilfe

3. Stipendien statt Sozialhilfe für Junge und Erwachsene

4. Bezahlbare, entwicklungsfördernde familienergänzende Kinderbetreuung

5. Günstigen Wohnraum fördern

6. Steuerfinanziertes Gesundheitswesen prüfen.

(Aus der Medienmitteilung vom 10.11.2012)

Diakonie Hannovers unterzeichnet den Aufruf des Armutsnetzwerks zur Winternothilfe

Geschrieben von Diakonie Niedersachsen. Veröffentlicht in Obdachlos

Gemeinsam der Kälte trotzen

In Hauseingängen und auf Parkbänken erfrieren jeden Winter in Deutschland wohnungslose Menschen. Nach Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe leben in Niedersachen rund 25.000 Menschen ohne Wohnung - sie schlafen auf der Straße, in Notunterkünften oder stark abrissgefährdeten Gebäuden. In Hauseingängen und auf Parkbänken erfrieren jeden Winter in Deutschland wohnungslose Menschen. Das von Wohnungslosen, ehemals Wohnungslosen und ihren Freunden gegründete Armutsnetzwerk e.V. fordert deswegen in einem Winternotaufruf, bereits mit präventiven Maßnahmen Menschen vor Wohnungslosigkeit zu schützen.

Das Diakonische Werk Hannovers e.V. fördert Strategien zur Bekämpfung von Armut und Obdachlosigkeit. Es hat den Aufbau des Armutsnetzwerks als Selbstorganisation Betroffener auf verschiedene Weise, beispielsweise mit der Bereitstellung von IT zur Kommunikation unterstützt.