Kein Recht für Arme - Bundesregierung will Prozesskostenhilfe (PKH) kürzen

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Die 1981 eingeführte Prozesskostenhilfe, mit der auch Geringverdienenden der Zugang zu Recht und Gericht ermöglicht werden sollte, wird nach dem Willen der Bundesregierung  künftig deutlich restriktiver gehandhabt, faktisch aber abgeschafft. Für die Länderjustizhaushalte soll damit eine Einsparung in Höhe von ca. 65 Millionen erreicht werden. Die Begründung für diese Änderung: Im Bereich der PKH sind drei Gruppen von Maßnahmen vorgesehen:

  1. Sicherstellung, dass die Gerichte die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (die Bedürftigkeit) umfassend aufklären, um auf diese Weise ungerechtfertigte Prozesskostenhilfebewilligungen zu vermeiden und der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe entgegenzuwirken.
  2. Stärkere Heranziehung der PKH-Empfänger durch die Absenkung von Freibeträgen, die Verlängerung der Ratenzahlungshöchstdauer um zwei Jahre und die Neuberechnung der PKH-Raten
  3. Die Änderung der Vorschriften zur Anwaltsbeiordnung in Scheidungssachen und im arbeitsgerichtlichen Verfahren sowie die neue Möglichkeit zur Teilaufhebung der PKH-Be- willigung sollen die Ausgaben der Länder für Prozesskostenhilfe reduzieren.

Bis zum 18.2.13 kann eine elektronische Petition mit gezeichnet werden, den oben beschriebenen Änderungen nicht zuzustimmen.

Hier unterzeichnen.

Rolf Keicher

Evangelische Obdachlosenhilfe in Deutschland e.V. (EvO)
Fachverband der Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband
Dienststelle Berlin
Caroline-Michaelis-Str.1
10115 Berlin 
Telefon +49 (0)30 65211 1652

Halbierung der Armut eine Illusion

Geschrieben von Oswald Sigg. Veröffentlicht in Allgemeines

Der Sozialbericht 2012 des Kantons Bern ist als Ganzes betrachtet eine beispielhaft gute Grundlage für dringende öffentliche Interventionen in armutsbetroffenen und -gefährdeten Bereichen unserer Gesellschaft.

Nur zwei Jahre nach dem Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung wird für den Kanton Bern eines deutlich: die Armut breitet sich weiter aus. Es gibt immer mehr Leute, die ihr Leben sozial und wirtschaftlich nicht mehr aus eigener Kraft meistern kön­nen.

Dazu einige Trends, die der Bericht aufführt:

► Die Erwerbseinkommen der ärmsten Haushalte sinken.

► Der Anteil armutsgefährdeter und armer Haushalte steigt.

► Die Armutsgefährdungsquote steigt.

► Die Armutsgefährdung von Personen zwischen 50 und 60 Altersjahren steigt.

► In 12 Prozent der Haushalte von Familien, alleinerziehenden oder älteren Personen gibt es keine Existenzsicherheit.

Der Sozialbericht 2012 erscheint neu als Bericht des Regierungsrates. Die Armut im Kan­ton Bern ist somit von der Ebene der Gesundheits- und Fürsorgedirektion zu einer kardi­nalen Frage des Regierungsrates angehoben worden. Ein deutliches Zeichen, dass die soziale Lage endlich ernst genommen wird, wenigstens von  der Regierung.

Sieben konkrete Massnahmen

Mit den folgenden Massnahmen soll die Armut im Kanton Bern in erster Linie bekämpft werden:

► Die polyvalent zusammengesetzte Kommission für Sozial- und Existenzsicherungspo­litik berät die Gemeinden, die Verwaltung und den Regie­rungsrat im Sinne einer Sensibili­sierung auf die soziale Frage, die heute weit über Sozialhilfe und Soziale Arbeit hinaus­reicht und die verschie-densten Politikbereiche  mit einbezieht.

► In Zukunft werden durch eine Sozialverträglichkeitsprüfung alle Gesetzeserlasse auf ihre Wirkung speziell auf sozial Benachteiligte hin überprüft, um Ausgrenzungen und Schi­ka­nen zu
vermeiden.

► Die erweiterte Analyse der wirtschaftlichen Situation der Bevölkerung durch zusätzli­che Befragungen von armutsbetroffenen oder –gefährdeten Personen wird die traditionelle Auswertung der Steuerdaten des Kantons ergänzen.

► Im Rahmen der familienergänzenden Kinderbetreuungsangebote werden die Tages­schul­angebote ausgebaut, auch während den Ferienwochen.

► Die Action éducative en milieu ouvert (AEMO) ist ein gezieltes und präventiv wirken­des Hilfsprogramm bei erzieherischen, persönlichen, familiären, schulischen oder berufsbezo­genen Fragen, das nun ausgeweitet werden soll.

► Armutsprävention und Chancengleichheit im Bildungswesen werden in der Harmoni­sie­rung von Sozialhilfe und Stipendien  besser aufeinander abgestimmt.

► Schliesslich sind für Jugendliche die Übergänge zwischen Schule und Ausbildung oder zwischen Ausbildung und Arbeitsmarkt mit einer Beratungskette verstärkt zu begleiten.

Mit diesem Programm beschreitet der Regierungsrat eine Gratwanderung zwischen dem allzu ambitiösen Ziel seiner Sozialpolitik, der teilweise wachsenden und virulenten Armut und Armutsgefährdung und der komplexen finanzpolitischen Situation, in welcher sich der Kanton Bern befindet.  Man darf aber den bernischen Behörden und insbesondere dem Gesundheits- und Fürsorgedirektor, Regierungsrat Philippe Perrenoud, zugutehalten, dass diese Sozialberichterstattung als Grundlage für eine sorgfältige und konsequente Inter­vention auf dem äusserst sensiblen und von den Medien vernachlässigten Gebiet der öf­fentlichen Sozialhilfe beispielhaft ist.

Halbierung der Armut unrealistisch

Der Sozialbericht 2012 gibt mir Anlass zu drei Bemerkungen.

Zum einen: Die Halbierung der Armut innerhalb von zehn Jahren – das ambitiöse Ziel wird heute kaum mehr erwähnt. Angesichts der mit dem neuesten Sozialbericht bestätigten und gegenläufigen Trends ist für das Jahr 2020 nicht nur kein Wunder, sondern eher ein Fi­asko zu erwarten.

Der Regierungsrat hat vielleicht noch ein, zwei Jahre Zeit, um die leichtgewichtige Zielsetzung zu korrigieren und sie als desillusionierte Planungsgrösse auf den Boden der Realität herunter zu holen. Denn als politisches Ziel war die simple Kopie eines nach der UNO-Milleniumseuphorie geborenen Werbetrailers gar nie ernst zu neh­men. Der Schaden von globalen Werbesprüchen wird indessen in der lokalen Politik und deren Glaubwürdigkeit angerichtet.   

Zum andern: Das revidierte Sozialhilfegesetz ist zwar erst gerade in Kraft gesetzt worden. Aber im Grossen Rat soll es mit einer Motion Studer (SVP) bereits wieder geändert wer­den. Die Sozialhilfekosten müssen jetzt unbedingt „optimiert“ werden. „Optimieren“ – das bedeutet in der Regel kürzen, sparen, reduzieren.

In der Begründung wird die St. Galler Professorin Monika Bütler so zitiert: ohne Kürzungen fördere die Sozialhilfe bei den Jun­gen ja nur einen Lebensstil, an den man sich gewöhnen könnte.Das darf man sich so vorstellen: der junge Arbeitslose und die junge Al­leinerzie­hende könnten sich mit­hilfe einer allzu üppigen Sozialhilfe ihres Lebens froh wer­den und fortan nur mehr zu Hause auf der faulen Haut liegen bleiben. Und allen Ernstes wird die Motion auch noch mit dem Umstand herbeigeschwatzt, es gebe Sozialhilfeemp­fängerIn­nen, die sogar über ein Privat­auto verfügten. Noch immer verteufelt die grösste Partei im Land alle jene, die ihre Rechte auf soziale Unterstützung geltend machen, als Profi­teure und faule Gesellen.

Tabu Nichtbezugsquote

Genau dieses abgründige Misstrauen den Sozialhilfe-EmpfängerInnen gegenüber führt mich schliesslich zu einer letzten kritischen Bemerkung zum Sozialbericht 2012 des berni­schen
Regierungsrates.

Obschon wir in einem ausgebauten Sozialstaat leben, gilt der rechtmässige Bezug sozia­ler Hilfe und Unterstützung zunehmend als Makel, ja sogar als Schande. Im Sozialbericht nimmt
man eine Unmenge an statistischen Zahlenreihen und Quoten über die öffentliche Sozialpolitik zur Kenntnis.

Allein über eine der wichtigsten Referenzgrössen zu deren Zu­stand  wird jedoch seit Jah­ren konsequent geschwiegen: es ist die sogenannte Nichtbe­zugsquote. Dies ist der Anteil an Sozialhilfe-Bezugsberechtig­ten, die sich trotz ihrer prekä­ren Lebenslage gar nicht erst vor den Schaltern der Sozial­ämter einfinden. Diese Quote liegt mittlerweilen bei 60%, wie man kürzlich einem Bericht von SRFonline entnehmen konnte, der dabei auf Zahlen des Bundesamtes für Statistik basierte.

Warum ausgerech­net eine Mehrheit von sich in einer Notlage befindenden Men­schen die Errungenschaften unserer Sozialpolitik ablehnt, scheint weder die Regierung noch das Parlament
sowohl im Kanton wie auch in der Eidgenossenschaft einen Deut zu kümmern. Es wäre an der Zeit, wenn der bernische Regierungsrat spätestens im nächsten Sozialbe­richt das Tabu bre­chen und sich zu diesem skandalösen Sachverhalt äussern würde.  

Siehe Sozialbericht:

http://www.gef.be.ch/gef/de/index/soziales/soziales/sozialbericht_2008.html

Zwei Stellungnahmen

Die Berner Konferenz für Sozialhilfe, Kindes- und Erwachsenenschutz (BKSE) zum Sozialbericht 2012:

Die Resultate der umfassenden Analyse sind nicht unerwartet, aber in ihrer Deutlich­keit erschreckend. Die Armuts- und die Armutsgefährdungsquoten sind in den letzten 10 Jah­ren ste-
tig gestiegen. Gleichzeitig sind die Einkommen der ärmsten Haushalte stark gesun­ken und auch Haushalte, welche über eine Rente der ersten Säule (AHV, IV, Waisenrente) verfügen,
benötigen vermehrt Ergänzungsleistungen. 12% der Haushalte im Kanton Bern können ihre Existenz nicht mehr aus eigenen Mitteln be­streiten und sind auf öffentliche Unterstützung an-
gewiesen. 

Die Sozialhilfequote ist tendenziell steigend und liegt im kantonalen Vergleich auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass der Kanton Bern relativ
wenige der Sozialhilfe vorgelagerte, bedarfsabhängige Sozial­leistungen kennt, wie z.B. Ergänzungsleistungen für Familien, Mietzinszuschüsse, Betreuungsgutscheine, Bil­dungs-
gutscheine usw.  Andererseits erreichen die Sozial­dienste dank ihrer Professionali­tät besser die Bedürftigen.

Alleinerziehende sind mit Abstand am häufigsten auf Sozialhilfe angewiesen. Dem gilt es mit gezieltem Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung und einer besseren Ver­ein-
barkeit von Beruf und Familie entgegen zu wirken. Aber auch Kin­der- und Jugendliche, Einzelpersonen und so genannte Working-Poor sowie Perso­nen ohne Berufsabschluss sind unter
den Sozialhilfebeziehenden stark vertreten.

Vehement wehrt sich die BKSE gegen Bestrebungen die Sozialhilfeleistungen im Kanton Bern zu kürzen. Rein statistisch gesehen könnte damit zwar die Sozialhil­fequote reduziert werden, hingegen blieben die relative Armut und die soziale Un­gleichheit bestehen. Die Unterstützungsrichtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, welche auch im Kanton Bern angewendet werden, haben sich gesamt­schweizerisch bewährt und garantie­ren auch Sozialhilfebeziehenden ein Minimum an Teilnahme am sozialen Leben.

(Auszüge aus der Medienmitteilung vom 11.12.2012)

AvenirSocial, Sektion Bern: „Unser soziales Netz hat neue und grosse Löcher“

Armut ist bedrohlich, sie ist gewachsen und kann (fast) jede/n treffen. Der Ausstieg ist al­leine nur schwer zu schaffen. Der Regie­rungsrat macht im Sozialbericht 2012 die Lücken der Existenzsicherung sicht­bar. Neue staatliche und privatwirtschaftliche Massnahmen sind notwendig und werden sich lohnen. Armut können wir nur gemeinsam überwinden.

Armut ist bedrohlich: für die betroffenen Menschen existenziell, für unsere Gesell­schaft eine zu oft verdrängte Realität mit sozialem Zündstoff. Sehr beunruhigend ist, dass die ärmsten Menschen in den letzten 10 Jahren fast 25% weniger Haushalts­einkommen zur Verfügung hatten. Armut führt zu sozia­ler Ausgrenzung, oft zu Krankheit, zu Demütigun­gen und in prekäre Arbeitsverhältnisse. Der Ausstieg aus länger dauernder Armut ist al­leine nur schwer zu schaffen.Armut kommt Betroffene und unsere ganze Gesellschaft teuer zu stehen.

Im Bericht zur Bekämpfung der Armut vermissen wir die soziale Verantwortung der Wirt­schaft. Arbeit­gebende entscheiden, ob existenzsichernde Löhne bezahlt werden oder nicht. Existenzsichernde Löhne könnten vielen Menschen ein Leben in Armut oder in Ab­hängigkeit ersparen. Existenzsi­chernde Löhne und Massnahmen zur Überwindung der Armut zahlen sich direkt volkswirtschaftlich aus.

Armut können wir nur gemeinsam überwinden. Wir empfehlen – gemeinsam mit KABBA, GMS Bern sowie dem SAH Bern - folgende sechs Auswege zur Überwin­dung der Armut im Kanton Bern:

1. Ergänzungsleistungen für Working-Poor-Familien

2. Mindestlöhne statt Sozialhilfe

3. Stipendien statt Sozialhilfe für Junge und Erwachsene

4. Bezahlbare, entwicklungsfördernde familienergänzende Kinderbetreuung

5. Günstigen Wohnraum fördern

6. Steuerfinanziertes Gesundheitswesen prüfen.

(Aus der Medienmitteilung vom 10.11.2012)

Ja, Armut ist politisch gewollt

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Debatte über Armut in Deutschland

Von Katrin Brand, WDR, ARD-Hauptstadtstudio

"Armut ist politisch gewollt", hat die Nationale Armutskonferenz heute behauptet. Ein starker Satz, eine kalkulierte Provokation, aber stimmt es auch?

Armut ist zunächst einmal Definitionssache. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat, also derzeit weniger als 950 Euro. Jeder Student ist demnach arm. Er wird sich aber nicht so fühlen, weil er hoffen kann, nach dem Studium gut zu verdienen.

Auch die bald acht Millionen Menschen, die Hartz IV benötigen, werden nicht allesamt ewig in dieser Lage verharren. Wer weiß, vielleicht findet sich bald ein gut bezahlter Job. Wer aber Vollzeit arbeitet und dennoch den Staat um Aufstockung bitten muss, dem kommt die Hoffnung auf bessere Zeiten womöglich abhanden. Wer gerne arbeiten möchte, aber nicht weiß, wohin mit den Kindern, dem fehlt ebenfalls die Perspektive und seinen Kindern erst recht. Wessen Ehe zerbricht, wer krank wird, wem die Wohnung gekündigt wird, der verliert womöglich den Anschluss und rutscht ab.

Staat kann und muss Rahmen setzen

Armut hat also womöglich etwas mit Hoffnungslosigkeit, mit Mangel an Chancen oder auch nur mit Pech zu tun. Ist dafür der Staat verantwortlich? Nein und ja. Nein, denn natürlich ist jeder für sein Leben verantwortlich. Ja, denn der Staat muss den Rahmen dafür setzen, dass jeder für sein Leben sorgen kann. Gegen Hungerlöhne kann er Mindestlöhne setzen. Mit Krippen, Kitas und Ganztagsschulen fördert er die Kinder und entlastet die Eltern. Und denen, die gerade arm dran sind, erspart er mit einem anständigen Hartz-IV-Satz das Gefühl, nichts wert zu sein.

Wer heute trotz Arbeit arm ist, wird im Alter noch weniger haben. Und deshalb muss sich der Staat von heute vor allem der Jugend von heute annehmen. Jeder Teenie mit Lehrstelle ist eine Hoffnung mehr.

Regierung verzettelt sich

Die Bundesregierung geht keines dieser Themen mit dem nötigen Ehrgeiz an. Sie verzettelt sich in Diskussionen über Zuschussrente, Betreuungsgeld und Lohnuntergrenzen und kneift beim Hartz-IV-Satz das Portemonnaie zusammen.

Die Bundesregierung kann die Armut nicht abschaffen. Sie kann aber an vielen Stellschrauben drehen und die Chancen der Menschen verbessern. Wenn sie es nicht tut, nimmt sie Armut hin. Auch etwas hinzunehmen, ist eine politische Handlung. Also stimmt es. Ja, Armut ist in Deutschland politisch gewollt.

Oslo im Dezember 2012

Geschrieben von r.Wener Franke. Veröffentlicht in Allgemeines

Der 10 Dezember, Todestag des schwedischen Erfinders und Industriellen Alfred Nobel, ist alljährlich ein denkwürdiger Tag.

So wird der Tag der Menschenrechte begangen. Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe beklagte in Ihrem Interview auf Deutschlandradio Kultur, das die Armut nicht in Gänze bekämpft werden kann. Doch es ist eine Schande, dass auf diesem Globus über 900 Mio. Menschen hungern müssen. Lebensmittel, so Dieckmann weiter, seien für alle Menschen ausreichend vorhanden. Niemand müsse Hunger erleiden.

Seit 1901 wird der Nobelpreis an verdiente Wissenschaftler in den Fachgebieten Chemie, Physik, Psychologie oder Medizin, Literatur und Friedensbemühungen verliehen. Seit 1968 gibt es weiterhin in Gedenken an Alfred Nobel den von der schwedischen Reichsbank gestifteten Preis für Wirtschaftswissenschaften. Alle Preise außer dem Friedensnobelpreis werden vom schwedischen König in Stockholm verliehen.

Am 10 Dezember 2012 wurde der Friedensnobelpreis der Europäischen Union verliehen. Repräsentanten, wie von Rompuy, Barroso Schulz sowie die Bundeskanzlerin gaben wortreiche Statements ab. Frau Merkel sagte unter anderem, dass sich das gegenseitige Verständnis innerhalb Europas weiterentwickeln müsse, damit die jungen Menschen auf diesem Kontinent eine Zukunft haben.

Kann diese EU mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet werden, wenn 80 Mio. Menschen in Armut leben? In unserer Republik sind es 15,8 %, nahezu ein Sechstel der deutschen Bevölkerung. Armut muss nicht sein. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, mit ihrer Strategie 2020 das Armutsrisiko bis zum Jahr 2020 für 20 Mio. Menschen zu reduzieren. Auf dem europäischen Treffen der Menschen mit Armutserfahrung sagte der dänische Staatssekretär, dass dieses Ziel nicht erreicht werde, da die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinandergeht. Menschenwürdiges Leben bedeutet, dass alle Menschen am gesellschaftlichen und am kulturellen Leben teilhaben können. Menschenwürdiges Leben bedeutet, dass die Menschen ein Recht auf bezahlbaren Wohnraum haben. All diese Forderungen müssen europaweit gesetzlich verankert werden und schnellstens umgesetzt werden.

Das EAPN hat die europäischen Staaten und den cypriotischen Ratspräsidenten aufgefordert, sich zu äußern, inwieweit Maßnahmen gediehen sind, die Ziele der Strategie 2020 zu erreichen. Dieser Offene Brief wurde von fast allen Staaten ignoriert. Drei EU-Mitglieder haben geantwortet. Die Bundesrepublik Deutschland reagierte nicht.

Unser Land ist ein reiches Land. In Berlin leben jedoch zwischen 10.000 und 12.000 ohne Wohnung. Ist dies ein menschenwürdiges Dasein?

Sollte der Friedensnobelpreis nicht Ansporn sein , die Armut in Europa auf null zu fahren und sich für den Frieden einsetzen?

Europa protestiert gegen die Sparpolitik

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In Europa haben Millionen Menschen gegen die Sparpolitik ihrer Länder protestiert. Gewerkschaften hatten dazu aufgerufen. Sie kritisieren, dass die Sparpolitik die Rezession in vielen Ländern noch verschärft.

"Wir streiken, um diese selbstmörderische Politik zu beenden", sagte der Chef der spanischen Gewerkschaft UGT, Candido Mendez. Vor allem in Spanien und Portugal fuhren kaum noch Züge, Schulen und Fabriken blieben geschlossen, Hunderte Flüge wurden gestrichen. Nach Mendez' Worten beteiligten sich in Spanien im öffentlichen Dienst mehr als 70 Prozent der Mitarbeiter an den Streiks. Nach Darstellung der spanischen Regierung hielten sich die Einschränkungen dagegen in Grenzen.

Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos kündigte an, die Sparpolitik fortzusetzen: "Die Regierung wird alle Verpflichtungen einhalten", sagte er - und bekam dafür Lob von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Dieser räumte aber ein, dass die Lage für viele Spanier sehr schwierig sei.

In der Hauptstadt Madrid kam es zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei: Bei einer kurzen Auseinandersetzung in der Innenstadt schossen Beamte mit Gummigeschossen auf Demonstranten. Landesweit wurden mindestens 80 Menschen festgenommen. Der Streik brachte die Produktion in den Autowerken von Volkswagen, Seat, Opel oder Nissan weitgehend zum Erliegen.

"Guerilla-ähnliche Szenen" in Italien

Auch in Italien gab es Unruhen. In Rom wurden Polizisten mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen. Rund 60 Demonstrante wurden festgenommen. Reporter sprachen von Guerilla-ähnlichen Szenen. In Pisa gelang es Demonstranten, den Schiefen Turm zu besetzen und ein Transparent mit der Aufschrift "Steht auf! Wir zahlen nicht für eure Krise" anzubringen.

Auch in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon gingen Menschen gegen die Politik der konservativen Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho auf die Straße. In Lissabon fuhr die U-Bahn nicht, im ganzen Land blieben Züge und Busse stehen. Auch die Post, Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen wurden bestreikt.

"Der Sparpakt schadet der Gesundheit"

In Griechenland legten Zehntausende Beschäftigte - hauptsächlich Staatsbedienstete - für drei Stunden die Arbeit nieder. Tausende demonstrierten im Zentrum Athens. Auf Transparnten stand: "Der Sparpakt schadet ernsthaft der Gesundheit." In Belgien legte ein 24-stündiger Streik der Bahnmitarbeiter den Zugverkehr weitgehend lahm. Auch in Paris protestierten mehrere Tausend Menschen unter dem Motto "Für Beschäftigung und Solidarität - gegen Sparmaßnahmen".

Die Streiks hatten in geringem Maß auch Auswirkungen auf Deutschland: Am Frankfurter Flughafen sollten sieben Starts und sieben Landungen gestrichen werden, sagte ein Sprecher. Die Lufthansa und Air Berlin berichteten von Ausfällen und Verspätungen.

DGB-Chef will Reiche mehr an Wiederaufbau beteiligen

DGB-Chef Michael Sommer forderte einen Kurswechsel im Kampf gegen die Wirtschaftskrise. Dem RBB-Inforadio sagte er, vor allem die Reichen müssten mehr beteiligt werden, um den wirtschaftlichen Wiederaufbau voranzubringen.

Nach Ansicht der Gewerkschaften wird die Wirtschaftskrise in den Ländern Südeuropas durch die Sparpolitik verschärft. Die Arbeitslosigkeit in der Euro-Zone erreichte im September einen neuen Rekordwert. Besonders die Arbeitsmärkte in Südeuropa sind von der Krise hart getroffen - die höchste Arbeitslosenquote hat Spanien. Hier ist derzeit jeder vierte Arbeitnehmer ohne Beschäftigung.

Quelle: tagesschau.de vom 14.11.2012

Geld ist genug da

Geschrieben von Ewald Ackermann . Veröffentlicht in Allgemeines

Der Europäische Gewerkschaftsbund hat den 14. November zum europaweiten Aktionstag für Arbeit und Solidarität ausgerufen. In Spanien, Portugal, Griechenland, Malta und Zypern wehren sich die Gewerkschaften an diesem Tag mit einem Generalstreik gegen die desaströse Abbaupolitik. In den deutschsprachigen Ländern kommt es während der ersten Novemberhälfte zu den Aktionswochen „Geld ist genug da“.

„Die Sparpolitik führt in die Sackgasse. Sie bedeutet wirtschaftliche Stagnation, gar Rezession. Folge: das Wachstum bricht ein, die Arbeitslosigkeit steigt massiv an. Lohnabbau und Schnitte in die sozialen Schutznetze bedrohen das europäische Sozialmodell. Sie verstärken soziale Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten.“ So beginnt der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) seinen Aufruf für den 14. November. Dann soll den Regierenden von Reykjavik bis La Valletta, von Helsinki bis Lissabon klar gemacht werden, dass jetzt die Zeit reif ist für die Wende, für einen europäischen Sozialvertrag.

Es sind die einfachen Leute, die die Krise bezahlen sollen, mit Lohn- und Sozialabbau – die Reichen und die Superreichen dagegen werden geschont. Der EGB fordert deshalb nicht nur Massnahmen für eine nachhaltige jobintensive Wirtschaft und eine gerechte Verteilung; es sollen auch Finanztransaktionen neu besteuert, die Steuerflucht bekämpft, die Unternehmen europaweit einheitlich minimal besteuert, die GAV und die sozialen Grundrechte respektiert werden.

Generalstreik in fünf Staaten

Im Süden Europas ist die Lage äusserst schlimm. Sparpaket reiht sich an Sparpaket. Die Arbeitslosigkeit erreicht Dimensionen, die teils gar die Dreissiger-Depression übersteigen. Deshalb überrascht es nicht, dass Spanien, Portugal, Griechenland, Malta und Zypern an diesem 14. November zum härtesten Mittel gegen die verheerende Politik greifen: zum Generalstreik. Während 24 Stunden soll das wirtschaftliche Leben lahmgelegt werden. In Spanien etwa ist es in der Nach-Franco-Ära, also seit über 30 Jahren, das erste Mal, dass in einem gleichen Jahr zwei Mal zu einem Generalstreik aufgerufen wird. Die vereinten spanischen Gewerkschaften brandmarken zum ersten die Arbeitsmarkt-„Reformen“ der Regierung Rajoy, welche Unternehmens-Verträge auf Kosten der Branchen-Verträge stärkt und dabei den Arbeitgebern mehr Freiraum zubilligt als den Arbeitnehmenden. Die Folge sind massiv zunehmende Massenentlassungen. Zum zweiten bekämpfen sie den unverfrorenen Abbau in Gesundheit, sozialer Unterstützung und Erziehung sowie den Lohnabbau und die Überwälzung neuer steuerlicher Lasten vor allem auf kleine Einkommen.

Geld ist genug da

In den deutschsprachigen Ländern konzentriert sich der gewerkschaftliche Protest nicht bloss auf den 14. November. Vom 1. bis zum 14. November finden länderübergreifende gewerkschaftliche Aktionswochen statt, die unter dem Motto „Geld ist genug da. Zeit für Gerechtigkeit“ stehen. Für die Schweiz sind bis heute rund 20 Aktionen bekannt, an denen – oft unter Teilnahme von Gewerkschafter/innen aus Südeuropa – diskutiert wird, wie ein sozialer Ausweg aus der Krise zu finden wäre. Die Richtung dabei ist klar: Ein Flugblatt der Unia weist darauf hin, dass den 10 Billionen Euro Schulden in Europa 27 Billionen Euro private Vermögen gegenüberstehen. Deshalb sind „hohe Einkommen, Vermögen, Erbschaften und Finanzmarktgeschäfte endlich fair zu besteuern.“ Gleichzeitig sind in der Schweiz im gleichen Rahmen auch weitere dezentrale Aktionen, etwa für die Einführung der Solidarhaftung oder gegen kantonale Sparprogramme geplant. Entsprechende Manifestationen sind bis heute in St. Gallen (15. November) und in Luzern (24. November) bekannt.

Keine Unternehmenssteuergeschenke

„Wenn Europa ein Paradies für Millionäre ist, dann ist die Schweiz der siebente Himmel“, so bewertete Unia-Co-Präsident Andi Rieger vor den Medien anlässlich der Präsentation dieser Aktionswoche die aggressive Rolle der Schweiz im europäischen Steuerwettbewerb. Nach der Unternehmenssteuer-Reform II, „einem neuen, klaffenden Fluchtloch“, das nur den Reichen nütze, solle nunmehr die Unternehmenssteuer in der Schweiz generell auf 15% heruntergedrückt werden. Das zeigt: Die Schweiz ist ein Teil des europäischen Problems. Eine Politik für soziale Gerechtigkeit und korrekte Verteilung aber ist der Schlüssel zu dessen Lösung. (Newsletter des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB vom 6. November 2012)